Blue Jasmine (2013)

Kritik

Alle Jahre wieder komm das Christuskind – und legt uns einen neuen Film von Woody Allen unter den Baum und das bereits ohne Unterbrechung seit 1982. Allens Output verdient also die absolute Höchstnote, doch tut es sein neuster Film auch?
Fest steht, dass dieser auf den Namen BLUE JASMINE hört und sich um die titelgebende Jasmine (Cate Blanchett) dreht. Die Witwe eines reichen Betrügers ist ein Leben in der High Society gewohnt, muss ihrem Lebensstandard allerdings schon zu Beginn abschwören, da die Machenschaften ihres Mannes aufgeflogen sind und ihr Vermögen somit dahin ist.

Mit dem Flugzeug aus New York beginnt Jasmines metaphorische Landung auf dem Boden der Tatsachen. Ihr Haus wurde verpfändet, weshalb sie nun eine Bleibe bei ihrer ungeliebten und geschiedenen Adoptivschwester Ginger (Sally Hawkins) in San Francisco sucht. Doch die Umgewöhnung fällt schwer: Der Flug wird natürlich immer noch erste Klasse gebucht, das Jobangebot als Sekretärin in einer Arztpraxis ist unter ihrer Würde und die Beziehung Gingers zum einfachen Chili ist Jasmine ein Dorn im Auge. Dennoch steht fest, dass ein Neuanfang für sie unvermeidlich ist. Also lässt sich Jasmine widerwillig auf eine neue Arbeit und versuchte Dates ein.

Quasi nebenbei erfährt man außerdem nach jeweils meisterhaft platzierten Schnitten einiges zu Jasmines Leben vor dem großen Absturz. Auch die Gründe für das Scheitern von Gingers Ehe werden beleuchtet. Auch wenn diese Szenen ihren Charakter enorm vertiefen, ist ihr Verhalten oftmals kaum nachzuvollziehen, da Woody Allen die Figur genüsslich überzeichnet. Cate Blanchett beweist mit fortlaufender Filmdauer nicht nur Mut zur inneren und äußeren Hässlichkeit, sie brilliert generell in ihrer Darstellung Jasmines, die ihre Augen ständig vor der Realität verschließt, sich als Unschuldslamm inszeniert und sich doch immer selbst im Weg zu stehen scheint. Die Momente, in denen ihre Fassade bröckelt, sind dann auch die stärksten des Films.

Blue Jasmine

Doch bei aller Faszination für die Hauptfigur vergisst Woody Allen scheinbar, der Geschichte eine Richtung zu verleihen oder sie anständig zu erden. Viele der eigentlich starken Nebendarsteller – wie Peter Sarsgaard oder der bitterböse US-Comedian Louis C.K. – wirken in ihren schablonenhaften Figuren völlig verschenkt. Alec Baldwin kann zwar überzeugen, doch auch seinem Charakter hätten mehr Facetten gut getan. Letztendlich fehlt jemand, an den sich der Zuschauer halten kann, da zwischen all den Unsympathen, verklärten Unterschichtlern und Abziehbildern eine Figur fehlt, an die man sich halten kann und möchte.

Während zu Beginn der typische Allen-Witz versprüht wird, gewinnt sein Film in der Folge immer mehr an Tragik. Balanciert wirkt das nicht immer, da Allen dem Zuschauer nie sein Ziel vor Augen führt. Zudem finden sich viele gesellschafts- und kapitalismuskritische Aspekte, die viel zu schnell versanden. Es wirkt, als wolle Allen etwas ausdrücken, hätte dann aber nicht genug Zeit gehabt, seine Ideen im Script zu Ende zu denken. Eine Abrechnung mit den Spekulanten und Verursachern der Finanzkrise ist eine interessante Prämisse und auch das Verfrachten einer High Society-Tusse in die Arbeiterschicht bietet Potential. Nur sind die vorhandenen Ansätze leider arg simpel und gehen kaum über oberflächliche Kritik an Gier und klar verteilte Sympathien für Ober- und Unterschicht hinaus.

Blue Jasmine

Im Endeffekt ist es gar nicht leicht, ein Fazit zu ziehen. Unterhaltsam ist BLUE JASMINE über die gesamte Spieldauer, doch fehlt dem Film neben Cate Blanchetts Darstellung und einem beschwingten Soundtrack das gewisse Etwas. Die Hoffnungen auf Anspruch und eine bitterböse Satire, die Woody Allen zu Beginn weckt, kann oder will er letztlich nicht halten. Ein Meisterwerk ist BLUE JASMINE also beileibe nicht geworden, Altersschwäche kann man dem mittlerweile 77-jährigen Woody Allen aber auch noch nicht attestieren. Es hilft wohl nur eins: Ein Kino der eigenen Wahl besuchen und sich eine eigene Meinung zu bilden!

BLUE JASMINE in der IMDb
BLUE JASMINE auf Letterboxd

Trailer:

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