The Road (2009)

Kritik

Buchverfilmungen sind ja immer so eine Sache. Generell überzeugen nur wenige und selbst die Guten haben im Vergleich zu den Vorlagen oft einen sehr schweren Stand. Umso schwieriger wird eine faire Bewertung für mich bei THE ROAD, der Verfilmung der post-apokalyptischen Vorlage von Cormac McCarthy. Zur Erklärung muss ich ein wenig ausholen.

Der Film THE ROAD erschien 2009 mit Viggo Mortensen und Kodi Smit-McPhee in den Hauptrollen. Wie im Buch wird die Geschichte von Vater und Sohn erzählt, die zusammen in der zerstörten, tristen Welt zu überleben versuchen. Ihr Ziel ist der Süden, in der Hoffnung, dass die Lebensumstände am Meer besser sind. Doch auf dem Weg lauern viele Gefahren. Die wenigen noch lebenden Menschen bekämpfen sich um die knappen Ressourcen, Kannibalismus greift langsam um sich. Aus Angst, den falschen Leuten über den Weg zu laufen, meidet der Mann jegliche Gesellschaft, schließt kategorisch jede Art von sozialem Kontakt aus und verliert so nach und nach seine Menschlichkeit. Sein Sohn kennt die alte Welt nicht mehr, versteht die Angst des Vaters nicht und zweifelt zunehmend an den Überzeugungen seines Vaters.

Die Verfilmung fängt dies in trostlosen Bildern ein und unterstützt die Fragestellungen, ob und wie ein Leben in einer solchen Umgebung noch lebenswert ist. Mortensen und McPhee spielen ihre Rollen teils distanziert aber dadurch umso mitreißender. Was macht die Verfilmung also verkehrt?

Dies ist nicht leicht zu beantworten, denn das Hauptproblem ist das altbekannte der Adaption selbst. McCarthys Buch zeichnet sich nicht nur durch seine originelle Interpretation der Post-Apokalypse aus, sondern durch die zutiefst figurenbezogene Erzählweise und seine Sprache. Der Mann und der Junge tragen die gesamte Handlung, wodurch ihre Charaktere eine enorme Tiefe bekommen. Man folgt ihnen nicht nur wie im Film während der Erkundungstouren durch Häuser und andere Überbleibsel der Zivilisation, sondern auch deutlich öfter während intimerer Momente; den Gesprächen vor dem Schlafen, dem Rasten, den Wegen durch die verbrannte Erde. Die ständige Bedrohung, die eben nicht nur von anderen Personen, sondern auch von Kälte, Hunger und Krankheit ausgeht, ist viel spürbarer, ebenso wie die erwähnte Charakterentwicklung, die im Film nicht ganz nachvollziehbar ist. In diversen Gesprächen wirkt der Sohn wortkarg, teils stellt er unbequeme Fragen. Warum können wir nicht einfach sterben? In der Welt von THE ROAD ist dies eine kaum zu beantwortende Frage.

Doch kann man einer Literaturverfilmung diese geringere Tiefe vorwerfen? Immerhin bietet ein Roman deutlich mehr Platz und Zeit um Details zu ergründen, als ein zweistündiger Spielfilm. Das zweite Problem von THE ROAD ist die Sprache. McCarthy findet eine Struktur und einen Ausdruck, die die Erzählung paraphrasieren. Die Sätze sind klar, kein Wort zuviel wird gesprochen. Sprache und Beschreibungen sind stets durch Absätze voneinander getrennt. Diese harte und klare Beschränkung auf das Nötigste verdeutlichen die Knappheit der Ressourcen ein weiteres Mal. Und dennoch zieht einen das Werk emotional durch seinen Inhalt in seinen Bann.

John Hillcoat versäumt es in seiner Verfilmung, auf eine ähnliche Weise die Mittel zu beschränken. Er inszeniert mit vielen Einstellungen, Schnitten und Kamerabewegungen an. Ein ums andere Mal habe ich gehofft, er würde länger bei seinen Figuren verweilen, beispielsweise während eines Dialoges eine einzige starre Einstellung halten. Generell täte THE ROAD eine Entschleunigung gut, mit mehr intimen Momenten und einem langsameren Pacing. Hillcoat übernimmt fast jeden unüblichen Vorfall wie Beutezüge und Begegnungen aus dem Buch, streicht dafür aber die in dieser Welt Normalität gewordenen leiseren Zwischentöne, die die Spannung und Atmosphäe eigentlich verstärken würden. Das Entdecken eines Vorratskellers ist im Buch ein Moment, in dem man fast zwangsläufig pausieren und durchatmen muss. Die vorangegangenen Tage des Hungers nahmen so sehr mit, veranlassten Sorgen um die Zukunft der zwei Figuren.
Im Film ist dies lediglich eine Episode nach der nächsten. Genauso wird das Meer als Ziel der Reise nicht thematisch schleichend eingeführt, sondern nur Sekunden vor seiner Entdeckung zur Sprache gebracht. Der typische Makel einer Buchadaption, das Abarbeiten der Schauplätze anstatt der fleißenden Erzählung, trifft auch auf THE ROAD zu.

Gleichzeitig muss ich zugeben, dass ich bei meiner Erstsichtung von THE ROAD sehr beeindruckt war. Selten sah die Zukunft so bitter und trostlos aus, selten konzentrierte sich ein dystopischer Film so sehr auf seine Figuren. Nach der Lektüre von Cormac McCarthys Buches und einer anschließenden erneuten Sichtung steht jedoch fest, dass der Film es in keiner Weise mit der Vorlage aufnehmen kann. Aber ist dieser Vergleich zwischen den Medien nun gerecht? Roger Ebert hatte in seiner Kritik ein ähnliches Problem. Er spricht Kritikpunkte an mit dem Hinweis, keine Lösungen dafür zu besitzen. Möglicherweise sei McCarthy unverfilmbar. Ein Filmkritiker müsse einen Film rezensieren, nicht dessen Treue zur Buchvorlage, und Eberts eigener Fehler sei es in diesem Fall, McCarthy gelesen zu haben. Vielleicht geht es mir ähnlich. John Hillcoats THE ROAD gefiel mir so sehr, dass ich nicht anders konnte als Cormac McCarthys THE ROAD zu lesen. Dies belegt zweifelsohne die Qualität der Verfilmung. Die Erfahrung der Lektüre schmälert dagegen zwar den Filmgenuss, ich möchte sie dennoch keinesfalls missen und möchte daher mit dem Schlusswort Roger Eberts schließen:

When I know a novel is being filmed, I make it a point to not read the book. Yet I am grateful for having read McCarthy’s.

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