Wenn einen das Studium für ein paar Tage in die Hauptstadt verschlägt, ist es als Filmfan schwierig, die Highlights auszuwählen. Ich habe mich für einen Besuch der Deutschen Kinemathek entschieden und werde im Folgenden meine Eindrücke dazu schildern.
Die Kinemathek befindet sich im Sony Center am Potsdamer Platz, wo sonst die meisten Filmpremieren stattfinden und auch die Berlinale ihre Veranstaltungen feiert. Für 7€ Eintritt (bzw. 4,50€ für Studenten) bekommt man nicht nur Zugang zur Ständigen Ausstellung sondern auch zur Sonderausstellung. Diese behandelt aktuell den 2011 verstorbenen Filmproduzenten Bernd Eichinger.
Das erste, was den Besucher in der Kinemathek erwartet, ist ein verspiegelter Saal mit einigen Videoinstallationen, die insbesondere Bilder aus der Stummfilmära zeigen: Das Auge steht im Fokus, wie die Architektur wunderbar unterstreicht. Anschließend wird die deutsche Filmgeschichte chronologisch aufgearbeitet: Von den Gebrüdern Skladanowsky, die einen der ersten Kinematographen erfanden, über die Stummfilme und den deutschen Expressionismus führt der Weg bis in die Nazi-Zeit. Zu sehen gibt es jeweils informative Texttafeln, technische Geräte der jeweiligen Zeit, Filmausschnitte und Requisiten, sodass für jeden Filmfreund interessantes Anschauungsmaterial vorhanden sein sollte. Zusätzlich gibt es an einigen Stellen die Möglichkeit, mit interaktiven Bildschirm und Kopfhörern mehr Informationen zu bestimmten Themen zu bekommen.
Mein persönliches Highlight in diesem Abschnitt war die Hotelpagen-Uniform, die Emil Jannings in Murnaus DER LETZTE MANN trug. Mir war beim Sehen des Schwarzweiß-Films nie in den Sinn gekommen, dass das Kostüm knallrot ist. Ebenso beeindruckend ist die Darstellung von Fritz Langs Meisterwerk METROPOLIS, wo ein Standbild der riesigen Stadt über zwei Stockwerke die Wand ziert und einen Eindruck der ungeheuren Größe vermittelt. Abgerundet wird die Präsentation durch einige Ausschnitte, die durch den pumpenden Originalscore umso bedrohlicher wirken.
Die Nazi-Ära ist gezeichnet durch den Kontrast zwischen nach Hollywood ausgewanderten Legenden einerseits und der Propagandaschmiede des dritten Reichs auf der anderen Seite. Es wird deutlich, wie immens der Verlust der kreativsten Köpfe und die Zensur des dritten Reichs das deutsche Kino trifft und wie lange es dauern wird, sich davon zu erholen. Davon kann auch Leinwand-Diva Marlene Dietrich nicht ablenken, die ihren eigenen Saal voller Kostüme und privater Gegenstände bekommen hat.
Erstaunlich ist, dass das Nachkriegskino ein wenig lieblos abgehandelt wird. Zwar gibt es zu fast jedem bedeutenden Regisseur eine kleine Installation inkl. Drehbuchseiten, Notizen, Briefen und mehr; doch im Verhältnis zu dem Raum, den die Anfänge des deutschen Films erhalten haben, fällt dieser Teil der Ausstellung ab. Erwähnenswert sind Requisiten des Neuen Deutschen Films wie ein Modell des Schiffs aus Werner Herzogs FITZCARRALDO sowie ein Original-Flugblatt des Oberhausener Fests. Diese Stücke lassen dann doch erahnen, welche Bedeutung, Größe und Geschichte das deutsche Kino einmal besaß oder vielleicht noch besitzt.
Die Sonderausstellung über Bernd Eichinger, der die Constantin Film gründete und Großproduktionen wie DER UNTERGANG oder DAS PARFUM erst ermöglichte, ist ein netter Zusatz. Immerhin prägte der Mann das deutsche Kino spätestens seit der Wiedervereinigung wie kaum ein Zweiter. Man erfährt anhand einer Zeitleiste sowohl Persönliches als auch berufliche Erfolge Eichingers, dazu gibt es wiederum diverse seiner Filmpreise und Requisiten seiner Filme zu betrachten. Ebenso wird nicht ausgespart, dass Eichinger trotz seiner Erfolge gerade in Deutschland nie unumstritten war und nur schwer damit umgehen konnte. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Eichinger zwar in den 90ern quasi jedes Jahr den erfolgreichsten Film produzierte; dies aber als Geburtsstunde der heutigen Schweiger/Schweighöfer-Komödienmaschine gesehen werden muss, die wahrlich nicht jedem gefällt.
Den versöhnlichen Abschluss hingegen bildet ein in schwarz gehaltener Saal, in dem sich lediglich ein Schreibtisch und zwei Kostüme befinden sowie drei Leinwände, auf denen eine Collage einiger von Eichingers größten Erfolgen läuft. Das Lebenswerk des Münchners muss letztendlich auch von seinen Kritikern gewürdigt werden.
Im Endeffekt kann ich allen Berlinreisenden nur empfehlen, sich die Deutsche Kinemathek einmal anzusehen. Für wenig Geld bekommt man einiges geboten – ich habe die Ausstellung nach etwa vier Stunden wegen Zeitdrucks verlassen. Im Vergleich zum Filmmuseum in Frankfurt ist der Umfang weitaus größer, dafür aber im Wesentlichen auf den deutschen Film beschränkt. Wer damit nichts anfangen kann, überlegt sich den Besuch, für alle anderen gibt es eine klare Empfehlung.
Die Sonderausstellung über Bernd Eichinger läuft noch bis zum 6. Oktober 2013.