L’écume des jours (2013)

CineCouch Kritik Jan

Alles nur Schall und Schaum; an Liebesgeschichten im Kino hat es noch nie gemangelt. Egal, wo man in Hollywood hinschaut, selbst in reinrassigen Action-Filmen kann man die (zumeist in Filmen) vorherrschende Beziehung zwischen Mann und Frau noch wiederfinden. Liebe, das ist eine Thematik, die wohl jeder Mensch begreifen kann, obwohl der Begriff so ungreifbar ist.

Michél Gondry hat nun seinen erst zweiten französischen Film gedreht: L’ÉCUME DES JOURS (bei uns als „Schaum der Tage“ bekannt). Gondry hat es bereits mit ETERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND geschafft, eine Liebesgeschichte auf unkonventionelle Weise zu erzählen. Damals wollte Jim Carrey alle Erinnerungen an seine große, aber gescheiterte Liebe zu Kate Winslet auslöschen, was zu aberwitzigen Situationen führte. Heute entwirft der französische Regisseur nach dem gleichnamigen Roman von Boris Vian eine Welt, die zu den schrägsten gehört, die je auf der Leinwand zu sehen waren.

© Studiocanal©Studiocanal

In L’ÉCUME DES JOURS ist alles etwas anders. Der Film spielt in Paris, na klar, in der Stadt der Liebe. Wie man die Metropole in eine magische Welt verwandeln kann, hat zuletzt erst Woody Allen mit MIDNIGHT IN PARIS bewiesen. Gondry geht aber noch viel weiter: Alles – Gebäude, Personen, Requisiten, Töne – wirklich alles ist eine überzeichnete Form seines realen Abbildes. Romain Duris spielt Protagonist Colin, der reich ist – einfach so. Ihm fehlt nur die große Liebe. Prompt fällt er die Entscheidung, sich zu verlieben, trifft er auf einer Party die von Audrey „Amélie“ Tautou gespielte Chloé. War ihre Amélie in dem großen französischen Kassenschlager schon eine verquere Träumerin, so spielt sie diesmal eine vollkommen abgefahrene Person, der scheinbar nichts etwas anzuhaben scheint. Scheinbar.

Die beiden heiraten, ein Drittel der anderthalb Stunden Laufzeit ist bereits in einem Eiltempo am Zuschauer vorbeigezogen, da setzt sich die Spore einer Seerose in Chloés Lunge fest. Sie erkrankt und aus dem plötzlichen vollkommenen Glück der beiden wird aus der Liebesgeschichte eine noch knapp einstündige Leidensgeschichte.

Der nahezu unverschämt gut gelaunte und dauergrinsende Omar Sy, der Colins Koch mimt, altert plötzlich rapide. Die Wohnung, in der Colin lebt, verdreckt unaufhaltsam. Die vielen Fenster werden durch seltsamen Schmutz überzogen. Der Reichtum von Colin löst sich innerhalb weniger Minuten im Film in Luft auf. Der ehemals unbegründete Millionär muss sich als Arbeitskraft durchschlagen, um die teure Behandlung seiner kranken Gattin bezahlen zu können.

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Jedes Element des Films, vorher noch magisch und auf seine eigene Art lustig, reiht sich in das Trauerspiel ein. Die Haustürklingel, die sich als Stop-Motion-Knetfigur durchs Haus bimmelnd bewegt und nur schwer zur Ruhe zu bringen ist, wird in Kleinstteile zerlegt. Das verzauberte Essen von Omar Sy wird ungenießbar. Die Wolken in der Welt von L’ÉCUME DES JOURS ziehen sich zu.

Dass der Film letztlich mit einem nicht vollkommen nihilistisch-existentialistischen Unterton   endet, ist nahezu ein Wunder. Ein Wunder, welches wunderschön in Gondrys Vision eingebettet wird. Wenn L’ÉCUME DES JOURS in diesem Kinojahr in Erinnerung bleiben sollte, dann wohl als der Film, der zeigt, dass sich wahre Liebe in schlechten Zeiten beweist:

„Mit der Hoffnungslosigkeit beginnt der wahre Optimismus.“ – Jean-Paul Sartre

L’ÉCUME DES JOURS in der IMDb
L’ÉCUME DES JOURS auf Letterboxd

TRAILER:
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