The Life of David Gale (2003)

CineCouch Kritik Daniel

Mit dem großen Finale von BREAKING BAD ging eine Ära zu Ende, die ein tiefes Loch in die umtriebige Serienlandschaft riss. Auf der Suche nach adäquatem Ersatz kommt man dieser Tage meist nicht an der von Netflix produzierten Politserie HOUSE OF CARDS mit einem scheinbar wieder einmal brillierenden Kevin Spacey vorbei. Das macht schon Lust auf mehr. Da zurzeit ja aber so dermaßen viel von mir geschaut werden möchte und eine komplett neue Serie den zeitlichen Rahmen ganz einfach sprengen würde, gehe ich einen zweifelhaften Kompromiss ein und schenke mit THE LIFE OF DAVID GALE zumindest Spaceys filmischem Gesamtwerk abseits der ganz großen Klassiker à la AMERICAN BEAUTY oder SE7EN  ein wenig mehr Beachtung.

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Die Journalistin Bitsey Bloom (Kate Winslet) bekommt einen wahrlich verlockenden Fall an die Hand. Der ehemals hochangesehene Universitätsprofessor David Gale (Kevin Spacey) soll in wenigen Tagen die Todesstrafe für Vergewaltigung und Mord erhalten und Bloom soll das bis dato einzige Interview mit ihm führen – und zwar auf seinen Wunsch. Klingt nach gefundenem Fressen. Die Frage nach Schuld oder Unschuld stellt sich für sie dabei gar nicht, denn als ehrgeizige, eigenständige Frau in einem Beruf, in dem nur Ellbogenmentalität zählt, betrachtet sie diesen Fall nur als einen unter vielen. Während Gale ihr aber an den anberaumten Interviewtagen von seiner scheinbaren Leidensgeschichte berichtet, machen sich leise Zweifel bemerkbar: Warum sollte die Todesstrafe einen Menschen ereilen, der sein ganzes Leben dem Kampf gegen ebenjene verschrieben hat?

LIFE OF DAVID GALE bewegt sich ganz eindeutig zwischen den Eckpfeilern eines klassischen Thrillers. Vor Bitsey Bloom sowie dem Zuschauer ragt von Beginn an ein Geheimnis empor, das es im Laufe des Filmes zu lösen gilt. Die in Rückblenden erzählte Handlung gibt dabei nun immer wieder Puzzleteile preis, die es dem Rezipienten ermöglichen, einzelne Facetten aufzuschlüsseln und so das Geschehene in eine gewisse Ordnung zu bringen. Kevin Spacey schlüpft hierfür, wie bereits bei seiner Oscar-brillierten Rolle in THE USUAL SUSPECTS, in die Haut des Geschichtenerzählers, auf dessen Worte für seinen Gegenüber wie auch den Zuschauer ein Bild der Handlung entsteht.

Das Grundszenario erinnert dabei nun fast schon an SILENCE OF THE LAMBS: Junge aufstrebende Frau trifft auf hochintellektuellen Insassen, nur getrennt durch die Gitterstäbe zwischen ihnen. Doch der vermeintliche Wolf im Schafspelz entpuppt sich immer mehr als unschuldiges Opfer eines höchst veralteten Rechtssystems. Denn während ihres Gespräches entdeckt sie immer mehr Indizien, die für einen Irrtum der Justizbehörde sprechen. Er erzählt ihr von all seinen schrecklichen Erfahrungen: Nachdem eine ehemalige Studentin, die bereit war, alles für den erfolgreichen Abschluss ihres Studiums zu tun, ihn wegen Missbrauchs anklagte, verlor er nicht nur seine komplette soziale Integrität, sondern auch seine Familie. Doch als wäre das alles nicht genug, soll er zudem den Mord an seiner langjährigen Partnerin Constance Hallaway (Laura Linney) begangen haben, mit der er zusammen in der Organisation Death Watch gegen die Todesstrafe kämpfte.

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Durch die dank Flashbacks stark subjektivierte Sicht, die sich durch die Schilderung Spaceys auftut, macht sich der Film zunutze, dass nicht abzusehen ist, ob dem Zuschauer nun bewusst gewisse Informationen vorenthalten werden und inwieweit man dem ganzen Treiben Glauben schenken darf. Kevin Spacey geht bei diesem Spagat zwischen unschuldiger Seele und maskiertem Spiel wieder einmal völlig auf und legt seinen Charakter David Gale als teils nebulösen, unnahbaren Intellektuellen an, der versucht, seine verhängnisvolle Geschichte auf möglichst plausible Art und Weise näherzubringen, sodass er mit seinem Schauspiel, besonders in den Rückblenden, für die interessantesten, sowie vielschichtigsten Momente des Filmes sorgt.

Die grundsätzliche Anordnung der Handlung bietet im Bezug auf das Genre dramaturgisch bedauerlicherweise nichts Neues, auch wenn deren Generik innerhalb der Diegese von einzelnen Charakteren persönlich hinterfragt wird und so zumindest ein wenig aufgebrochen werden kann. Doch das Gefühl, das einen nach der Sichtung beschleicht, flüsterst einem trotzdem ins Ohr, dass man das bereits überall schon gesehen hat. Zudem verhebt sich THE LIFE OF DAVID GALE zusehends an der schweren Last seiner Thematik. Der fortwährende Diskurs über das rechtlich anerkannte Töten eines Menschen und die damit einhergehende Aushebelung der Menschenrechte ist seit jeher ein brisantes Thema, das die Menschheit in zwei Lager spaltet. Alan Parker versucht, mit seinem Werk eine klare Stellung zu beziehen. Möchte man allerdings einen aussagekräftigen Kommentar auf die angesprochene Rechtslage bieten, so darf man meiner Meinung nach nicht mit einem Ende daherkommen, das viel zu plakativ ist, als dass es in seiner Glaubwürdigkeit noch ernst genommen werden kann.

Der Film hinkt somit in seiner Kredibilität und mag bei dem ein oder anderen einen faden Beigeschmack hinterlassen, wen jedoch schauspielerische Glanzleistungen über vermeintliche Schwächen des Drehbuches hinwegtrösten können, der wird sich auch bei THE LIFE OF DAVID GALE wunderbar aufgehoben fühlen.

THE LIFE OF DAVID GALE in der IMDb
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