Oldboy (2013)

CineCouch Kritik Jan

Mit Remakes ist das ja immer so eine ganz prekäre Sache. Auf der einen Seite ist es sinnvoll, alte Stoffe neu zu interpretieren. Man siehe nur die ganzen Dracula-Filme oder SCARFACE. Der Punkt bei den Beispielen ist aber womöglich, dass immer gewisse Zeit zwischen den erneuten Auflagen lag. Denn auf der anderen Seite wirken Remakes doch bloß als pure Geldmache. Krtikerlieblinge, bevorzugt produziert im Ausland, werden für den Heimmarkt einfach neu gedreht – darin ist Hollywood ganz groß. Aber eben leider auch ganz klein.

Am 8. Oktober 1993 wird Joe (Josh Brolin) entführt und für 20 Jahre in ein äußerst ungewöhnliches Gefängnis gesperrt, dass mehr wie ein Hotel anmutet. In vollkommener Abschottung wird der Fernseher sein einziger Freund – und gleichzeitig Vermittler von Hiobsbotschaften: Denn seine Frau wird vergewaltigt und getötet, seine dreijährige Tochter eine Waise und schuld daran ist laut Spurensicherung Joe selbst.
2013 wird Joe in einem teuren Anzug, mit einem Batzen Geld und Smartphone ausgestattet freigelassen. Nun ist seine Tochter vom mysteriösen Drahtzieher hinter Joes Gefangenschaft entführt und er muss sie finden und retten. An seine Seite gesellt sich die gutmütige Seele von Mensch Marie (Elizabeth Olsen). Doch um seine Tochter wiederzufinden, muss Joe vor allem seine eigene Vergangenheit aufwühlen.

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© Universal Pictures

Die Handlung ist ja schon aus der Vorlage bekannt, die der Film unverhohlen im Vorspann nennt: Park Chan-wooks Meisterwerk OLDEUBOI – eben solch ein Kritikerliebling aus dem Ausland, genauer Südkorea. Nun wurde der Stoff, der eigentlich auf einem Manga basiert, in die Hände von Spike Lee gelegt und scheint da mehr schlecht als recht aufgehoben. Wieso? – Weil die Macher des Remakes ganz offensichtlich nicht verstanden haben, warum das Original so erfolgreich war und als einer der Meilensteine des Kinos im neuen Jahrhundert gelten darf. Doch dazu später mehr.

Über die erste Hälfte versteht der Film nämlich noch durchaus, sich von seiner besten Seite zu präsentieren. Zwar doppeln sich einige Szenen mit dem Original, es vergeht jedoch mehr Zeit, bis die Situation in der Gefangenschaft eintritt. Brolins Joe wird als ziemlich mieser Bastard dargestellt. Ein Säufer, ein alles vernachlässigender Familienmensch und ein Schwerenöter. Kurzum: Dieser Typ ist verdammt noch mal unsympathisch. Den Antihelden bekommt der Zuschauer in alter amerikanischer Hollywoodmanier recht unverhüllt präsentiert, dafür aber in wunderbar anzuschauenden Bildern.

Die visuelle Gestaltung ist es dann auch, die das Remake durchaus zu sehenswerten Momenten verhilft. Durchzogen werden die Einstellungen von einer Mischung aus sehr starken und kräftigen Farben (in erster Linie Gelb, Rot und Grün) und vollkommener Entsättigung fast aller übrigen Farben auf der Palette. Auf der einen Seite wirkt das durchaus ansehnlich, auf der anderen etwas zu stark stilisiert, sodass gerade die kräftigen Farbelemente nahezu fantastisch und unglaubwürdig wirken.

Unglaubwürdig ist zumindest die Handlung. Das dürfen Kritiker sicherlich auch dem Original vorwerfen, dieses ist für sich genommen allerdings in sich schlüssig. Das Remake versagt in dieser Hinsicht eigentlich auf ganzer Linie. Sorgt in OLDEUBOI noch ein durchdachter Plot-Twist für die gewünscht Erleuchtung beim Zuschauer, so wirkt die Auflösung im 2013-Remake schludrig, nicht fertig gedacht und so simpel, dass man sie sehr schnell zerpflückt. Dummerweise macht das nicht nur das Ende zu einem faden Beigeschmack, sondern die gesamte Handlung zu einer ziemlichen Farce.

Als deutlich stärkeren Schlag in den Bauch verspüren Kenner des koreanischen Originals jedoch das Unverständnis der Macher bezüglich der Geschichte um Oh Dae-su, respektive Joe. Entweder sie haben den Film nicht verstanden oder aber (wahrscheinlicher) konnten sie sich gegen die Studiobosse nicht durchsetzen. Letztendes ist der Umstand, wie es zum Endergebnis kam, allerdings auch zweitrangig. Denn übrig bleibt nun einmal ein Film, der die tiefgründigen Themen der Vorlage – Schuld, Sühne und Vergebung – nicht nur vernachlässigt, sondern vollkommen ausblendet.

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© Universal Pictures

Spike Lee zeigt seine Kenntnis der Vorlage lediglich in einigen visuellen und damit oberflächlichen Spielereien. So tauchen die Engelsflügel aus dem Original in veränderter Form auf, der berüchtigte Tintenfisch wird prominent ins Bild gerückt und die imposante Flur-Kampfszene erfährt ebenfalls ein Revival. Diese Reminiszenzen sind glücklicherweise keine Plagiate, sondern im letzten Fall sogar beeindruckend umgesetzte Neuinterpretationen. Nur, und da steckt der Teufel im Detail, die Szenen können nicht mit dem Original mithalten. Diese Versuche scheitern im direkten Vergleich allesamt. Unerklärlicherweise lief die Entscheidung bezüglich der Flurszene sogar auf die gleiche, bitterböse-komödiantische Pointe wie im Original zu.

OLDBOY ist für sich genommen eine einigermaßen hart verdauliche Hollywood-Rache-Geschichte, deren Gewaltdarstellung nicht nur äußerst brutal ausfällt, sondern teilweise noch auf grafische Belustigung setzt, die nicht ganz zum durchaus ernst-düsteren Ton des Films passen mag. Letztlich ist es der Vergleich zum Original, der Kritikern die Zornesröte ins Gesicht treiben wird und es ist schwer diesen nicht zu ziehen. Das ist schade, ist der Film doch konzeptionell auf einem stilistisch hervorragenden Niveau angesiedelt und die beiden Hauptrollen mit Brolin und der jungen Elizabeth Olsen toll besetzt. Wen die Rache-Geschichte reizt, sollte jedoch lieber zum koreanischen Original greifen.

OLDBOY in der IMDb
OLDBOY auf Letterboxd

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