Locke (2014)

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Der Trailer zu LOCKE (dt. Titel „No Turning Back“) war wohl einer der interessantesten und neugierig machendsten der letzten Monate. Der erfahrene Drehbuchautor Steven Knight (EASTERN PROMISES) wagt das Experiment eines Ein-Personen-Films und gleichzeitigen Kammerspiels und das, wie es sich gehört, fast in Echtzeit. Aber Moment, das kennen wir doch schon von BURIED, von dem ich nur mäßig begeistert war. Nichtsdestotrotz ließ ich mich voller Neugier und ohne viel Vorwissen auf eine sehr lange Autofahrt mit BRONSON-Darsteller Hardy ein. Lest hier, wie mir diese bekommen ist.

Ivan Locke (Tom Hardy) bricht von seiner Arbeitsstelle auf, steigt in sein Auto und fährt los. Obwohl er ein klares Ziel verfolgt, kann der Zuschauer dieses zunächst nur erahnen. Schon bald finden die ersten Telefonate statt, Gespräche entwickeln sich und Probleme bezüglich seiner Arbeit und Familie zeichnen sich mehr und mehr ab. Im Verlauf des Films versucht Locke eben diese auftretenden Probleme zu kontrollieren und zu lösen, wenn er denn kann.

Gebunden an das Konzept des Kammerspiels befindet man sich die ganze Zeit bei Tom Hardy und seinem Auto. Dabei zeigt die Kamera logischerweise meistens den einzigen sichtbaren Menschen im ganzen Film, schwenkt hier und da mal auf das Leuchtdisplay des Autos, um anzuzeigen, mit wem gerade telefoniert wird, oder präsentiert den eintönigen Innenraum des Fahrzeugs. Highlights bilden allenfalls die Aufnahmen, die die Autobahn und Tom Hardys Auto von außen präsentieren. Rein visuell hat der Film durchweg wenig zu bieten, lässt sich zu keiner Zeit zu Spielereien oder kleinen abwechslungsreichen Ideen mit der Kamera hinreißen und die verwaschenen Lichtpunkte im Hintergrund, sowie die farblichen Spiegelungen auf den Autofenstern langweilen nach kurzer Zeit.

All das formt sozusagen die große Bühne für Tom Hardy. Denn wo man nicht großartig visuell abgelenkt werden kann, wird die Konzentration umso mehr auf das Geschehen gelenkt. In diesem Fall auf Hardys Performance als höchst konzentrierter, entschlossener und von den Umständen gebeutelter Betonverbauer und liebender Familienvater. Nachdem er in THE DARK KNIGHT RISES als Bane dank fetter Gesichtsmaske ausschließlich auf seine körperliche Präsenz angewiesen war, wird in LOCKE der Spieß umgedreht und seine Mimik wird entscheidend für den Film. Hinters Lenkrad geschnallt, bleibt Hardy nichts anderes übrig, als durch seine Mimik, Stimme und Gestik die Figur des Ivan zum Leben zu erwecken. Das anspruchsvolle und eigentlich vielversprechende Konzept geht aber leider nicht durchgehend auf und sorgt dafür, dass man insgesamt wenig emotional involviert ist. Dafür ist aber vielleicht eher dem schwachen Drehbuch die Schuld zuzuschreiben, da Hardy der Figur getreu schauspielert und aus seiner limitierten Lage das Beste macht.

LOCKE
© STUDIOCANAL

Die Geschichte von LOCKE besteht aus drei verschiedenen Sachverhalten, mit denen Ivan sich während seiner Autofahrt beschäftigt und die sich, nachdem sie ausreichend etabliert wurden, miteinander verweben. Dementsprechend besteht der Film daraus, dass Ivan ein Problem löst und mit dem nächsten Anruf ein weiteres Problem auftritt oder ein bestehendes verschlimmert wird. Das ist nicht nur für den Protagonisten nach einiger Zeit etwas frustrierend und scheinbar ziellos, sondern auch für den Zuschauer. Wahrscheinlich ist aber genau das so beabsichtigt und man soll mit Ivan mitleiden, um folglich mehr in den Film involviert zu werden. Leider bleibt es aber meist bei Frustration, da man, wie schon vorher erläutert, generell nicht wirklich mit der Figur warm wird. Die Zusammenstellung der drei Handlungsstränge wirkt für manche sicherlich auch zu konstruiert, um sie wirklich ernst nehmen zu können. Selbst wenn man die vielen Zufälle und die teils sehr gewagten Plotvorgaben akzeptieren kann, hat die Handlung inhaltlich nicht viel zu bieten. Nach 20 Minuten Problemetablierung ist der Zuschauer im Bilde und kann die folgende, profane Weiterentwicklung ohne Schwierigkeiten vorhersagen. Der klare Schwerpunkt des Films lag demnach von vornherein beim Charakter Ivan Locke und der Performance von Tom Hardy.

Steven Knight präsentiert mit LOCKE einen sehr minimalistischen – oder besser – pointierten  Film. Von der Kameraführung, dem generellen Look, über den Schauspieler selbst ist alles auf die Prämisse des Films konzentriert. Im Endeffekt geht es hier nur um Locke, der einen fatalen Fehler begangen, nun eine für ihn unangenehme Entscheidung getroffen hat und diese durchzieht (daher der deutsche Titel). Dabei zeichnet sich langsam die Frage ab: War es das wert? Ein Mann versucht das moralisch Richtige zu tun, will gleichzeitig mit einem bestimmten Teil seiner Vergangenheit abschließen und setzt dabei alles was im Lieb und Teuer ist aufs Spiel. Ein eigentlich sehr vielversprechendes Konzept, scheitert letztendlich an einem gewöhnungsbedürftigen Drehbuch und, kurz gesagt, dem Auto.

Trotz all meiner Kritik an dem Film, kann ich es gut verstehen, warum er so große positive Resonanz erhielt. Wahrscheinlich gibt es jede Menge Filminteressierte, die genau auf diese Art von Film gewartet haben und bei denen das eigenwillige Konzept vollends aufgeht. Ich persönlich konnte LOCKE leider nicht so viel abgewinnen und gehe daher natürlich auch strenger mit seinen Fehlern um, die er auch rein objektiv betrachtet nun mal hat. Bei einer eventuellen Zweitsichtung werde ich speziell auf die Metaphorik achten, denn es gibt durchaus ein paar interessante Parallelen zwischen der strikten Autofahrt, sowie der thematisierten Betongrundlage eines Hauses und dem, was in Lockes Leben passiert. Alles in Allem muss man sich bei LOCKE auf ein kleines Experiment einlassen, dementsprechend empfehle ich ihn gerne an alle weiter, die auf eine One-Man-Show im Auto Lust haben.

PS: Für alle diejenigen, die gerne mehr über Filme als Kammerspiele wissen wollen, können wir unseren Podcast Folge 20 ans Herz legen.

LOCKE in der IMDb
LOCKE auf Letterboxd

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Trailer:

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