Bei den vergangenen Oscars hat es Regisseur David O‘Russell erneut geschafft, seine Hauptdarsteller für den prestigeträchtigsten Filmpreis der Welt zu empfehlen. Bei dem Cast läuft einem ohnehin schon beim Lesen das Wasser im Mund zusammen. Ob sich das Treffen der Stars auch auf den restlichen Film positiv auswirken kann?
Irving Rosenfeld (Christian Bale) hat es geschafft: Aus der Armut der Ghettos hat er eine Kette von Waschsalons aufgebaut, hat eine junge, attraktive Frau (Jennifer Lawrence) geheiratet und ihren Sohn adoptiert. Doch hinter der Fassade macht er als Trickbetrüger das eigentliche Geschäft, verkauft gestohlene Kunstwerke oder gibt sich als Finanzberater aus. An seiner Seite steht ihm die faszinierende Sidney Prosser (Amy Adams). Als ihre Betrügereien vom FBI in Person des verrückten Agenten Richie DiMasso (Bradley Cooper) aufgedeckt werden, sollen die Betrüger nun für das „Bureau“ arbeiten, um einer Haftstrafe zu entgehen. DiMasso hat es dabei vor allem auf korrupte Politiker angesehen – die Truppe findet sich bald aber in einem Sumpf von Korruption und Betrug wieder, der selbst dem taffen Irving vom sicheren Pfad zu bringen droht.
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O‘Russell scheint seine Filmfamilie gefunden zu haben. Zwar nehmen seine Casting-Entscheidungen noch nicht die Ausmaße eines Tim Burton an, doch scharen sich in den letzten drei Filmen bekannte Gesichter seine neuesten Projekte. Christian Bale verhalt er in THE FIGHTER zu einem Oscar, Jennifer Lawrence heimste die Trophäe für SILVER LININGS ein. Dieses Jahr ging zwar der Cast wie der gesamte Film trotz 10 Nominierungen leer aus, eines aber bleibt unbestreitbar: O‘Russell hat sich als ein Regisseur erwiesen, der es schafft, seine Schauspieler perfekt zu führen.
Doch an seinen Schauspielern und deren darstellerischen Fähigkeiten konnte und wollte wohl auch niemand bei SILVER LININGS meckern. Anders sieht es da schon bei den kontrovers diskutierten Bereichen der Kameraführung und des Drehbuchs aus. Und die streitbaren Punkte bleiben teilweise leider dem Werk O‘Russells erhalten: Vor allem in Anbetracht der Dramaturgie. AMERICAN HUSTLE lässt sich nur schwer einordnen. Anders als die OCEAN‘S-Reihe lässt er das Handeln der Trickbetrüger nicht für den Zuschauer erkenntlich durchplanen. So hat man als Zuschauer nicht selten das Gefühl, der Film betrügt einen in einigen Szenen ebenso wie Irving es an seinen Opfern exerziert. Um mit dem eigentlichen Protagonisten, Irving, wahrlich zu sympathisieren, reicht die Figurenzeichnung nicht aus. Dass der Zuschauer zusätzlich noch im Dunkeln über Irvings Pläne gelassen wird, erschwert eine echte Bindung zu den Figuren und dem Geschehen. Da die Dramaturgie ohne echte Höhepunkte verläuft, der Film allerdings auch nicht als Thriller konzipiert ist, fühlt sich der Zuschauer vielleicht durch die eingestreuten Gags und Geschehnisse kurzfristig unterhalten – die rechte Verbindung zwischen Zuschauer und Film fehlt aber.
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Keinerlei Schwächen erlaubt sich AMERICAN HUSTLE hingegen beim Flair der 70er Jahre, die er zu jedem Zeitpunkt aufleben lässt. Ob das nun die pompösen Kostüme, die opulenten Frisuren oder – und das vor allem – der Soundtrack getragen wird, am audiovisuellen Stil jedenfalls mangelt es O‘Russells neuestem Film nicht. Was den Figuren an Charaktertiefe fehlt, wird durch die detaillierte Ausstattung ausgeglichen. Alleine die Einführung in den Film, in der sich der um einige Kilos angefressene Christian Bale seine Halbglatze toupiert, zeigt tadellos, was für die Figuren wichtig ist: ihr Auftreten. So haben alle Figuren eine regelrechte Manie zu ihren Frisuren entwickelt, schlüpfen immer wieder in andere Anzüge oder Kleider – Kleider machen eben Leute.
AMERICAN HUSTLE ist ein handwerklich makelloser Trip zurück in die 1970er Jahre Amerikas. Diese filmische Reise zurück mit einem doch sehr anderen Zeitgeist, die dennoch durch Finanzkrise, Managerboni und sonstige wirtschaftliche Krisen einen aktuellen Bezug herstellt, macht für den Moment nahezu alles richtig, wenn man objektive Maßstäbe ansetzt. Von allen technischen und Produktionsaspekten erfüllt AMERICAN HUSTLE jegliche Kriterien. Einzig das Drehbuch, die Dramaturgie und leider auch die flache Charakterzeichnung lassen nie eine wirklich Involvierung in das Geschehen zu. So betrügt AMERICAN HUSTLE am Ende doch eher sich selbst und der Leidtragende ist der Zuschauer.
AMERICAN HUSTLE in der IMDb
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Trailer:
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