Lucy (2014)

CineCouch Kritik Jan

Ich habe bereits nach Veröffentlichung des Trailers zu LUCY eine Rückkehr zum Cinéma du Look des Regisseurs Luc Besson versprochen. Da war ich urplötzlich wieder Feuer und Flamme für einen Regisseur, der in den vergangen Jahren nur noch wenig Erfrischendes oder auch nur annähernd Hochwertiges produzieren konnte, wie in seiner Hochzeit in den 90ern. Ob wohl die Rückkehr zu alten Glanzleistungen mit seinem neuesten Film gelungen ist?

So hat sich Lucy (Scarlett Johansson) das Ende einer Partynacht wohl nicht vorgestellt. Ihr Bekannter bittet sie erst höflich, einen Aktenkoffer zu überliefern, bis er sie einfach per Handschellen an den Koffer kettet – was bleibt der jungen Dame da für eine Wahl. Die Übergabe geht brutal vonstatten. Der Inhalt entpuppt sich als neue Modedroge und der Alptraum für Lucy hat erst begonnen. Der Drogenbaron Mr. Jang (Choi Min-sik) nutzt sie nämlich auch noch als lebende Transporthülle für die heiße Ware. Nachdem der Beutel in ihrem Inneren platzt und die Droge in ihren Kreislauf gerät, beginnt Lucy übernatürliche Kräfte zu entwickeln. Und auf einmal wird der Alptraum zum Tor unbegrenzter Möglichkeiten.

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© Universal Pictures

LUCY könnte nun ein vollkommen hirnloser Actionthriller mit Rachestory werden – Besson warf mit diesen Kalibern zuletzt schließlich geradezu um sich. Doch der Regisseur, der auch das Drehbuch verfasste, geht einen anderen Weg. Endlich!, möchte man da schreien. Neben der Mutations-/Superheldengeschichte spannt sich ein weiterer Handlungsbogen um den Neuro-Wissenschaftler Professor Norman (Morgan Freeman). Seine Theorien über die Nutzung des menschlichen Gehirns bewahrheiten sich in Person der jungen Lucy und stellen selbst seine kühnsten Hypothesen in den Schatten.

Hirnlos geht es hier also nicht zu, wobei eine zu exzessive Nutzung unserer zerebralen Fähigkeiten sicherlich nicht von Nöten ist, um der Handlung zu folgen. Die wissenschaftlichen Ansätze, die der Film darlegt, dienen keineswegs der Belehrung biologischer Fakten, sondern lediglich einem Gedankenexperiment, auf das sich der Zuschauer einlassen sollte. So wirft der Film philosophische, gar existentialistische Fragen auf, die er bereits gemessen an seiner Laufzeit niemals gerecht werden könnte. Besson will in LUCY aber auch keine tiefen philosophischen Diskurse führen. Er nutzt die Prämisse seines Films aus, um seine Geschichte zu erzählen und seinen ehemals unverkennlichen Stil auszudrücken.

Mit der ungewollten Aufnahme der Droge potenzieren sich Lucys Kräfte zunehmend, da sie immer mehr Bereiche ihres Hirns nutzen kann. Angefangen mit schnelleren Reaktionen und einer übermenschlichen Auffassungsgabe, entwickelt sie bald telekinetische Kräfte – und das ist erst der Anfang. Der Clou dabei ist, der Zuschauer wird Zeuge ihrer neuen Fähigkeiten, muss sich aber nicht der durchgekauten Handlungsmuster eines Superheldenfilms bedienen, schließlich entwickelt sich Lucy immer weiter und weiß über ihr Potential stets bescheid. Das Publikum darf sich zurücklehnen und einfach staunen, was Lucy als nächstes aus dem Ärmel zaubert.

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© Universal Pictures

Besson schafft mit seinem visuellen Stil einen irren Trip. Mit der in diesem Jahr wiederholt grandios auftretenden Scarlett Johansson in der Hauptrolle werden alle kleineren Schwächen ausgemerzt. Die Action ist oftmals nicht brachial, Lucy findet mit ihren neuen Fähigkeiten Lösungen für friedliche Auseinandersetzungen, für die ein Liam Neeson wahrscheinlich noch mehr Leute foltern würde – weil ihm nichts besseres einfällt. Übermenschliche Kräfte darzustellen, ist ebenfalls nicht das Leichteste. Aber mit recht simplen Mitteln der visuellen und auditiven Gestaltung schafft es Besson, Lucy die nötigen Mittel an die Hand zu geben, um mit eben diesen Kräften auch angemessen als Heldin zu wirken. Und so ganz nebenbei zeigen die Macher mit LUCY, dass weibliche Superhelden auf der Leinwand verdammt noch mal funktionieren können!

LUCY in der IMDb
LUCY auf Letterboxd

Trailer:

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