Into the Woods (2014)

CineCouch Kritik Jan


IMDb / Letterboxd / dt. Kinostart: 19.02.2015 / USA 2014, R: Rob Marshall


Wünsche, ach wie sie doch immer wieder die besten Geschichten erzählen. Und wer hat sie nicht? Jeder Mensch lüstet und verlangt, er begehrt und neidet. Wünsche sind einfach urtypisch für jedermann. Gerade in unserer Zeit sind Wünsche nach einer sicheren Zukunft, nach ganz banalen Dingen wie genügend Nahrung, Trinkwasser, bis hin zum altehrwürdigen Traum vom Tellerwäscher zum Millionär allgegenwärtig. Wie passend also, wenn Disney’s neueste Märchenstunde mit dem Song „I wish…“ genau den Herzenswunsch des Zuschauers anspricht und so bald nicht mehr loslassen wird.

Mit einem Erzähler ausgestattet, wie es zuletzt auch schon in der Umkehrung der Erzählperspektive in MALEFICENT operationalisiert wurde, führt Regisseur Rob Marshall (CHICAGO, PofC 4) mit dem Gesang der Protagonisten von INTO THE WOODS in die Handlung des Films ein. Und von denen gibt es so einige, die aber keiner großen Erklärung benötigen, sind sie doch durch Grimm’sche Märchen und nicht zuletzt durch das Disney-Studio selbst jedermann bekannt.

Da wären Aschenputtel, die wünscht, auf den königlichen Ball zu gehen. Rotkäppchen, die ihre Großmutter besuchen will. Jack, der seinen besten Freund, die altgewordene und nicht mehr tüchtige Kuh, nicht verlieren möchte. Die Hexe, die ihre vergangene Schönheit durch die Rückkehr des Fluchs ihrer eigenen Mutter ersehnt. Und nicht zuletzt der Bäcker und seiner Frau, die sich nichts sehnlicher wünschen als ein Kind. Angeleiert durch die Hexe (Meryl Streep) werden all diese Geschichten miteinander verwoben. Denn sie hat einst einen Fluch auf das Haus des Bäckers gelegt, weil dessen Vater aus ihrem Garten magische Bohnen entwendete, dass kein Nachfolge mehr dem Stammbaum vergönnt sei. Um diesen Fluch zurückzuziehen, verlangt die Hexe von dem Ehepaar einige Gegenstände, um einen Trank zu brauen und so schickt sie den kinderlosen Bäcker in den Wald, wo sich die Wege der verschiedenen Figuren kreuzen werden.

INTO THE WOODS© 2014 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Disney hat nach einer kurzen Auszeit in den vergangenen Jahren wieder zu den Stoffen zurückgefunden, die das Studio in seinen größten (Animations-)Zeiten auszeichnete: Märchenerzählungen. Seit Alice erneut das Wunderland besuchte, fanden Figuren wie Rapunzel, die Eiskönigin und eben Malefiz mit Aurora wieder Platz im Disney-Universum. Und sobald ist kein Ende in Sicht, folgt doch noch dieses Jahr CINDERELLA. Überhaupt haben sich in Hollywood die Märchenprinzessinnen wieder in den Vordergrund gekämpft, teils wortwörtlich. Schneewittchen wurde gleich doppelt neu aufgelegt. Was macht das Märchen als Vorlage so interessant für die großen Studios?

Märchen sind zunächst einmal moralisierend, sie vertreten eine Botschaft, die oftmals als Parabel auf unsere Realität zu lesen sind. Der Kampf Gut gegen Böse, Richtig gegen Falsch ist ohnehin so alt wie Geschichten selbst. Aber schon immer waren Märchen auch schauderhaft, geizen nicht mit Gräueln, man denke nur an die Vögel aus Aschenputtel. Märchen bieten schlicht und ergreifend eine fantastische Grundlage für allerhand erzählerische Möglichkeiten. So ist es sicherlich kein Wunder, dass in den vergangenen Jahren Hänsel und Gretel als Actionhelden ebenso ihre Renaissance feiern konnten, wie Alice oder Schneewittchen zu Anführerinnen ganzer Heere wurden.

Insbesondere Disney zeigt mit den letzten Märchenadaptionen paradigmatisch, wie gerade im Vergleich zu den gezeichneten Meisterwerken von einst, ein Sinneswandel stattgefunden hat: Prinzessinnen laufen nicht mehr passiv der einen, wahren Liebe nach, die immer ein Prinz empfinden muss. Sie werden aktive Gestalter ihres Lebens, Bösewichte werden zu tragischen Figuren. Das alte Schwarz-Weiß wird durchbrochen und erst durch Kenntnis beider Stoffe vollends ersichtlich.

INTO THE WOODS© 2014 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

INTO THE WOODS entstammt jedoch einer eher anderen Richtung. Das Broadway-Musical von Stephen Sondheim, dessen SWEENEY TODD von Tim Burton zu einem Schauertrip für die Leinwand umgesetzt wurde, versteht sich mehr als Mash-Up bekannter Situationen verschiedener Märchen. Darin werden Versatzstücke wie die magische Bohnen, die Jack zu den Riesen über den Wolken klettern lässt, ebenso eingebracht wie der Mantel von Rotkäppchen, die Geschichte um Rapunzel und der goldene Schuh von Aschenputtel.

Und wie es aus den alten Disney-Zeichentrickfilmen bekannt ist, wird wieder gesungen. Mit Inbrunst und nach Herzenslust, dass man im Kinosessel nur so dahinschmelzen mag. Zumindest dann, wenn das gesamte Ensemble zusammenkommt und -singt. Nicht jeder Song vermag Gänsehaut und Emotionen zu versprühen. Dafür leistet sich wirklich keiner der Darsteller einen Aussetzer. Emily Blunt, Anna Kendrick, Meryl Streep, Johnny Depp, Daniel Huddlestone (Gavroche in LES MISÈRABLES), James Corden und viele, viele mehr geben eine fantastische Gesangsperformance ab.

Ab und an lässt sich Rob Marshall sogar dazu hinreißen, die Geschehnisse auf der Leinwand ins Groteske zu ziehen. Wenn die beiden Prinzen ihre Todesqualen durch die Sehnsucht nach ihren angestammten Prinzessinnen besingen, werden deren Haltungen und Mimik in solcher Weise karikiert, dass sie vollends der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Überhaupt werden wieder einmal die strahlenden Prinzen in ihrer Funktion vollkommen umgekehrt.

So reiht sich INTO THE WOODS doch teilweise tatsächlich in den Duktus der Disney-Filme der vergangenen Jahre ein, versprüht in seinen besten Momenten tatsächlich Magie, doch schafft es nicht immer im leider omnipräsenten zum Wald erweckten Greenscreen eine echte Verknüpfung zwischen Publikum und Leinwand herzustellen. Die Pointen landen meist zielsicher ins Schwarze, die übrigen Emotionen verlieren sich aber. Ab und an können die übertrieben pathetischen Liedertexte nicht mehr als Persiflage gelesen werden, sondern werden im besten Falle nur noch klägliche Versuche, hinter all dem Ernst der Szene noch Leichtigkeit und Humor versprühen zu wollen.


Trailer


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