Der Bunker (2015)

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©Kataskop Filmproduktion & Geißendörfer Film- und Fernsehproduktion KG (c)2015


IMDb / Letterboxd / dt. Kinostart: 21.01.2016 / D 2015, R: Nikias Chryssos


„Manchmal sind Familien, die auf den ersten Blick völlig normal wirken, tatsächlich kleine totalitäre Systeme, die wie Terrorregime geführt werden“, sagt Regisseur Chryssos selbst über sein Langfilm-Debüt (Quelle), mit dem er im vergangenen Jahr nicht nur den Weg in das Programm der Berlinale fand, sondern auch im Anschluss auf diversen Festival international und national für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Nun, fast ein Jahr nach seiner Premiere in Berlin, startet das (Grusel-)Kabinettstückchen in ausgewählten deutschen Kinos – und zeigt, wie man reale Geschichten außerhalb von TV-Sozialdramen ausformulieren kann: in Gestalt eines Genrefilms aus Deutschland.

Der „junge Student“ (Pit Bukowski) sucht für die Erledigung seiner höchst wichtigen wissenschaftlichen Arbeit Ruhe im abgelegenen titelgebenden Bunker. Die Familie, die ihn dort beherbergt wirkt anfangs auf ihre verschrobene Weise doch sehr zuvorkommend und nett. Mit der Ruhe wird es allerdings so leicht nichts, denn schon bald wir der Student aufgefordert, Klaus (Daniel Fripan), den Sohn der Familie, zu unterrichten. Der soll schließlich einmal Präsident der Vereinigten Staaten werden. Nur liegt dem acht-jährigen Jungen das Lernen wahrlich nicht. Obendrein fällt der schöne Schein der Freundlichkeit der Eltern alsbald ab und ihr wahrer Kern tritt nach Außen.

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©Kataskop Filmproduktion & Geißendörfer Film- und Fernsehproduktion KG (c)2015

Oberflächlich betrachtet handelt es sich bei DER BUNKER um ein gutbürgerliches Familien-Drama. Strenge Eltern stellen an ihren Sohn überambitionierte Anforderungen, für deren Erreichen jegliche Mittel rechtens sind. So werden Ungehorsam und Sturheit mit Strafen und körperlicher Züchtigung mittels Rohrstock vergolten. Einzig das hehre Ziel vor Augen, ergeben sich totalitäre, autoritäre Strukturen, in die der namenlose Student – ehe er sich versieht – hineinrutscht.

Diese Betrachtung wird bereits nach der Sichtung des Trailers als obsolet erscheinen. Denn Nikias Chryssos verpackt diese Geschichte in einem wahrhaft albtraumhaften Gewand, dass gerne als Lynch-esk bezeichnet wird (den Marketingzusatz von Helge Schneider sollte man getrost übersehen, mit dessen improvisierten Dadaismus hat DER BUNKER freilich nichts gemein.) So wie die Familie beim Essen klassische Musik von Schubert und Beethoven zur Untermalung hört, kaschiert der Film seine wahren Hintergründe und seinen eigentliche Erzählung unter dem Gewand eines Genrefilms. Hier tauchen Elemente eines Thrillers auf, in dem das Verhalten der Eltern in einer klaustrophobischen Umgebung den Studenten und den Zuschauer wahrhaft in die Enge treibt. Eine Besessenheit lässt Rückschlüsse auf Horrorfilm-Motive zu. Dass Klaus von einem erwachsenen Mann gespielt wird, offenbart mit der überdeutlichen Freundlichkeit der Eltern zugleich eine Groteske im Kammerspiel.

Chryssos reiht sich DER BUNKER in die Bewegung „Neuer Deutscher Genrefilm“ (Link) ein. Dazu zählen Filme wie DER SAMURAI, dem Paul im Jahresrückblick 2014 eine lobende Erwähnung zukommen ließ. Beim Fantasy Filmfest waren unter anderem die Filme GERMAN ANGST und STUNG zu sehen. Genrefilme aus Deutschland, worunter insbesondere die Genres Action, Thriller, Horror und Fantasy gefasst werden, erfahren seit einigen Jahren wieder einen Aufschwung. Huan Vu, ebenfalls Vertreter dieser Bewegung, forderte auf der Tagung zum Deutschen Genrefilm in Köln „Von Caligari ins finstere Tal“ (Link) dazu auf, dass Filmemacher ein „elevated Genre“ erschaffen, ein „Art-House-Genre“. Diese Filme sollen nicht nur die Motive, Schemata und Stereotype aufgreifen, sondern mit relevanten, aktuellen Themen verbinden. Als gelungene Beispiele lassen sich Horrorfilme des letzten Jahres nennen wie THE BABADOOK, IT FOLLOWS (Folge 111) und eben auch DER BUNKER, um den Bogen zurück zum Film zu schlagen.

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©Kataskop Filmproduktion & Geißendörfer Film- und Fernsehproduktion KG (c)2015

In düsteren Bildern erschafft DER BUNKER eine ganz eigene Welt. In einem kargen Raum, ohne Fenster, wird der Student einquartiert. Es komme gar kein Licht rein, meint er, worauf der Vater und Gastgeber erwidert, dass dafür ja auch keins nach Außen trete. Was hinter den Türen, innerhalb der Mauern des Bunkers geschieht, bleibt nach Außen ein Mysterium. Das Zusammenleben dieser Familie, das von Gewalt, hierarchischen Gebilden und totaler Autorität zusammengehalten wird, ist ein Geheimnis. Was unterhalb der gutbürgerlich warmen und gemütlichen Wohnzimmer liegt, ist ein fragiles Gebilde, dessen Versteckspiel ideal mit dem Rückgriff auf Genrekonventionen aufgedeckt werden können. Und es ist DER BUNKER hoch anzurechnen, wie er diesen Spagat mühelos bewältigt.

Jan