Remakes, Sequels, Prequels, Reboots, Shared Universes. Neuinterpretationen und das Weiterdenken bekannter Stoffe existieren seit der Frühzeit der Filmgeschichte, doch zusammenhängende narrative Räume wie das Marvel Cinematic Universe sorgten zuletzt gleichwohl für Veränderungen. Die finanziell enorm lukrative Vernetzung von Blockbustern erreicht nun auch bei STAR WARS neue Dimensionen. Mit ROGUE ONE startet der erste Ableger der Weltraum-Saga, der außerhalb einer Trilogie angelegt ist und somit mehr Freiheiten genießen sollte – oder nicht?
ROGUE ONE erzählt, wie die Rebellen die Baupläne des Todessterns zu ergattern versuchen, und trägt ein nicht einfaches Los: Auf der einen Seite fungiert er als Prequel zu STAR WARS: EPISODE IV – A NEW HOPE, muss sich in den Kanon einfinden und zudem vom Erfolgsrezept seiner Verwandten nicht zu stark abweichen, um bloß keine Fans zu verprellen. Auf der anderen Seite soll und muss er auf seinen eigenen Beinen stehen und eine Geschichte voll neuer Figuren und Schauplätze konsequent zu Ende erzählen.
J.J. Abrams wurde bei seinem letztjährigen positiv aufgenommenen Spagat vorgeworfen, zu sehr auf Sicherheit gespielt zu haben und sich zu sehr an A NEW HOPE orientiert zu haben. ROGUE ONE-Regisseur Gareth Edwards ist anzumerken, dass er immer wieder unterschiedliche Interessen verfolgen muss. Der Prolog baut als düsterer, spannender Einstieg ein ordentliches narratives Fundament. Nach zwanzig Minuten wurde jedoch bereits neues Personal an vier weiteren Schauplätzen etabliert, die in der Folge teils nie wieder besucht werden. Einige Zeit verwendet der Film darauf, unnötige Kurzauftritte bekannter Figuren einzubauen. Den humorvollen Ton seiner Vorgänger nimmt er im ersten und zweiten Akt zunächst an, obwohl ihm letzendlich mehr daran gelegen scheint, einen düsteren Kriegsfilm in einer weit entfernten Galaxie zu erzählen. Erzählerisch ist dieser Wandel einigermaßen holprig.
Und auch die Figuren, die große Stärke von STAR WARS: EPISODE VII – THE FORCE AWAKENS, fallen flach aus. Dabei ist die Darstellerriege gespickt mit Stars, Charakterköpfen und Neuentdeckungen, die für kurzweilige Unterhaltung garantieren und Diversität verkörpern. Insbesondere überzeugt der spielfreudige und improvisationsstarke Alan Tudyk, der sich via Motion Capturing in den bisher menschlichsten Droiden K-2SO verwandelt und einen erstklassigen Sidekick gibt. Leider müssen Felicity Jones, Diego Luna, Mads Mikkelsen und Co. gegen ein Drehbuch anspielen, dass Ihnen lediglich holzschnittartige Figuren aufzwängt. Wo THE FORCE AWAKENS einen Stormtrooper zur guten Seite wechseln ließ, einen Sith den Kampf mit seinen eigenen Dämonen austragen ließ und ein Waisenmädchen ihre eigene Stärke entdeckte, wirken die Helden aus ROGUE ONE recht austauschbar. Interessant wird es, wo die Figuren zweifeln dürfen: Protagonistin Jyn Erso (F. Jones) zweifelt am Vermächtnis ihres Vaters und an der Frage, ob die Rebellen tatsächlich die gute Seite der Macht verkörpern. Baze Malbus (Wen Jiang) zweifelt an der religiösen Interpretation der Macht, wie sein Freund Chirrut Îmwe (Donnie Yen) sie vertritt. Diese Facetten bleiben jedoch zumeist schemenhaft und finden nur selten ein zufriedenstellendes Finale. Eine emotionale Bindung wird nur halbherzig aufgebaut, sodass die Schicksale der Figuren kaum mitreißen. Vermeintlich offensichtliche Stärken wie Donnie Yens Kampfkünste werden nur unzureichend genutzt. Stattdessen ist Platz für eine angedeutete, vollkommen unnötige Liebesgeschichte. Nun ja.
ROGUE ONE schafft es jedoch trotz vieler Mängel, gut zu unterhalten. Visuell wird die Welt atemberaubend in Szene gesetzt und verbindet immer wieder perfekt gescoutete Naturschauplätze mit den bekannten Bauten aus dem STAR WARS-Umfeld. Die liebevoll gestalteten Sets glänzen mit der haptischen Qualität ihrer Kulissen und der aufwändigen Ausstattung zahlreichen Statisten. Tricktechnisch bewegt sich der Film – abgesehen von einer fragwürdigen, digital animierten Figur – auf allerhöchstem Niveau und bietet angenehm unaufdringliche 3D-Effekte. Gareth Edwards beweist nach GODZILLA erneut, dass er das Maximum aus seinem Budget herausholt und selbst Zerstörungsorgien erden kann. Gerade im letzten Akt finden sich einige wunderschöne Einstellungen. Die Darsteller tun derweil ihr Bestes, um gegen die schwache Figurenzeichnung anzuspielen, und die Trefferquote der Gags bewegt sich konträr zu der eines Stormtroopers.
Edwards liefert mit seinem Eintrag ins Franchise einen unterhaltsamen Popcorn-Film ab, der viel Potenzial ungenutzt lässt. Bei Großproduktionen dieser Art ist stets die Frage, ob dies in der Hand der Kreativen oder des Studios liegt. Immerhin zeichnet sich Disney für das eingangs erwähnte MCU verantwortlich, dem von verschiedenen Seiten vorgeworfen wurde, Regisseure in ihrer Kreativität zugunsten einer kohärenten Studio-Handschrift zu beschneiden. Fakt ist, dass das Drehbuch es nicht schafft, facettenreiche Charaktere zu zeichnen und seine Prämisse vollends auszuschöpfen. Wie gern hätte man ein Heist-Movie um den Diebstahl der Baupläne gesehen. Oder die Schlacht zwischen Imperium und Rebellen als reinrassigen Kriegs- oder Actionfilm erlebt. Doch Disney entscheidet sich dafür, nah am Markenkern zu operieren, und bleibt seiner Linie treu: Evolution statt Revolution. Das dürfte die Hardcore-Fans zunächst ruhig halten und sich finanziell lohnen, doch wenn der Konzern dabei bleibt, jährlich einen STAR WARS-Film zu veröffentlichen, wird sich die Saga ohne mutige Neuerungen schneller abnutzen als dem Studio lieb sein kann.
– Niels
Hört ab 22. Dezember unseren Podcast zu ROGUE ONE: A STAR WARS STORY