Sleepless (2017)

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IMDb / Letterboxd / dt. Kinostart: 09.03.2017 / USA 2017, R: Baran bo Odar


Aus der Schweizer Kleinstadt nach Hollywood. Regisseur Baran bo Odar hat den Traum eines jeden Filmemachers verwirklicht. Nachdem er mit seinem Debüt Unter der Sonne (2006) und dem darauffolgenden Werk Das letzte Schweigen bereits bei Kritikern und auf Festivals für Aufsehen sorgte, gelang ihm mit Who Am I – Kein System ist sicher der Durchbruch. Der Star-besetzte Thriller setzte in den deutschen Kinocharts ein zartes Ausrufezeichen. Der unterrepräsentierte Genrefilm aus Deutschland zog mehr als 800.000 Zuschauer in die Kinos. Dieser Erfolg blieb der amerikanischen Branche nicht verborgen und nun startet Odars US-Debüt in den Kinos. Ob der Action-Thriller Sleepless für schlaflose Nächte sorgt oder eher als Narkotikum durchgeht?

Die Handlung des Films ist Mittel zum Zweck: Vincent (Jamie Foxx) und sein Partner sind eigentlich Ermittler im Morddezernat im Sündenpfuhl Las Vegas. Des Nachts verdingen sie sich aber als Drogendealer. Den Stoff besorgen sie sich von anderen Verbrechern, doch beim nächtlichen Coup geht einiges schief. Die unverhoffte Beute stellt sich als Großlieferung der zwei größten Gangsterbosse der Stadt heraus, die sie schnellstens wieder in ihren eigenen Händen sehen wollen. Schnurstracks wird Vincents Sohn Thomas (Octavius J. Johnson) entführt. Doch bei der Übergabe der Ware kommen nicht nur die eigentlichen Käufer der Drogen, sondern auch die internen Ermittler Bryan (Michelle Monaghan) und Dennison (David Harbour) in die Quere.

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Das Remake des französischen Kritikerlieblings Nuit blanche reiht sich stilistisch in das Actionkino Hollywoods der vergangene Jahre ein, das von der Taken-Trilogie mit Liam Neeson und der Bourne-Reihe enorm beeinflusst wurde. Die Set-Pieces bauen daher auf diverse Hand-to-Hand-Combats auf, bei denen so ziemlich jeder Gebrauchsgegenstand zur potentiellen Waffe missbraucht werden kann. Die Brutalität eines Taken wird dabei dankenswerterweise größtenteils ausgespart, dafür die Wucht eines Bourne-Zweikampfes nie erreicht. Schnelle Schnitte täuschen darüber hinweg, dass die durchtrainierten Kontrahenten des Faustkampfes wenig mächtig sind, lassen aber gerade noch gewissen Choreografien erahnen. Vincent steckt indes ebenso viel ein wie weg, was den durchaus abwechslungsreichen Actionszenen schnell ihren Reiz nimmt. Um wirkliche Konsequenzen muss sich der Zuschauer nicht kümmern.

Gleich zu Beginn schlägt Sleepless ein hohes Tempo an: Eine Verfolgungsjagd durch die nächtlichen, neon-beleuchteten Straßen von Las Vegas mündet in einem Überfall, einer Schießerei und einer Flucht. Erst nach dieser Sequenz tritt Odar auf die Bremse, charakterisiert seinen Hauptdarsteller, dessen Aktionen ihn eben noch als Verbrecher gezeigt haben, nun mit diversen Kameraeinstellungen als Cop. Die Exposition gelingt ohne große Worte in kürzester Zeit. Dass der Zwiespalt zwischen Polizeipflicht und Verbrechen im Laufe des Films vollkommen in den Hintergrund rückt und durch gewisse Wendungen im Handlungsverlauf ohnehin über Bord geworfen werden, ist dem Ethos eines Hollywood-Films geschuldet. Denn so glatt die Action am Ende bleibt, reibt sich der Film auch ansonsten nicht an den Erwartungen und Moralvorstellungen seines Publikums.

Nachdem der Film zu Beginn noch etliche Szenen braucht, um die weiteren Konflikte der Story vorzustellen (Vincent lebt getrennt von seiner Familie, das Verhältnis zu seinem Sohn ist schlecht, interne Untersuchungen in der Polizei gehen voran, diverse Gangster haben Probleme), führt er alle Fäden mehr oder minder plausibel in der zweiten Hälfte des Films zusammen. Vor dem Hintergrund eines Casinos, das gleichzeitig als Umschlagplatz der Verbrecher dient, bahnt sich die Action ihren Weg. Von dem immer wieder beschworenen Zeitdruck ist leider allzu selten etwas zu spüren, auch weil der große Bösewicht zu blass bleibt. Vernarbt und brutal tritt er zwar auf, wird aber unfreiwillig zur Karikatur gesteigert. Sollten sich Vergleiche zum Kampf durch den Nakatoma-Plaza in Die Hard aufdrängen, verpuffen diese alsbald wieder. Obwohl Odar sein Handwerk versteht, ist Sleepless in seiner Struktur zu behäbig und vor allen zu durchschaubar. Die Actionszenen wären selbst vor zehn Jahren bereits abgedroschen gewesen. Dass sich jeglicher Handlungsstrang am Ende noch in Wohlgefallen auflöst, wirkt billig und ist in keiner Weise nachzuvollziehen. Denn während sich der Film von einem Setpiece zum nächsten hangelt, vergisst er die durchaus angelegten emotionalen und psychologischen Zentren auszuweiten.

Sleepless ist beileibe kein großer Fehltritt, aber nicht mehr als ein routiniertes Debüt im Actiongenre, dass sich auf Klischees und bewährten Motiven ausruht. War schon Who Am I stark von diversen (US-amerikanischen) Vorbildern beeinflusst, so hatte der Thriller immerhin noch mit optischen und dramaturgischen Kniffs gezeigt, dass sich Odar nicht nur im Genrekino auskennt, sondern es auch zu bespielen weiß. Sein Abstecher nach Hollywood wird vorerst ohnehin unabhängig vom (zumindest in den USA bescheidenen) Einspielergebnissen pausieren. Als nächstes widmet sich Odar einer deutschen Netflix-Serie. Schlaflose Nächte muss man sich um die Karriere des Schweizers vorerst jedenfalls nicht machen.

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