The Promise (2016)


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IMDb / Letterboxd / dt. Kinostart: 17.08.2017 / ES/USA 2016, R: Terry George


Es passt ins Bild, dass der HOTEL RUANDA-Regisseur Terry George sich für ein Projekt entscheidet, dass abermals auf historischen Begebenheiten beruht und dafür Aufmerksamkeit schaffen will. THE PROMISE – DIE ERINNERUNG BLEIBT startet 102 Jahre nach dem Beginn des Genozids an Armeniern im damaligen Osmanischen Reich in den deutschen Kinos. Mit großen Hollywoodstars, einem 90 Millionen-Budget und einer Menge Melodramatik will der Film die Zuschauer locken, ob das gelingen mag?

Am 2. Juni 2016 beschloss der Deutsche Bundestag in einer Resolution, den Genozid an Armeniern von 1915 bis 1923 im Auftrag des Osmanischen Reichs als solchen anzuerkennen. Was unter Historikern schon seit längerer Zeit einstimmig als historischer Fakt gilt, sorgt in der Diplomatie selbst heute noch für Unruhen. Die ohnehin angespannten Beziehungen zur Türkei, dem Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs, verschlechterten sich noch weiter, denn dort wird das international weitgehend anerkannte Völkerverbrechen bis heute geleugnet. THE PROMISE findet eindeutige Antworten und versucht mit einer emotionalen Dreiecksbeziehung das Ereignis massenkonform zu verpacken.

Der begabte Medizinstudent Michael (Oscar Isaac) kann Dank der Verlobung mit einer aus wohlhabenden Hause stammenden Frau sein Studium an der Universität in Konstantinopel finanzieren. Dort lernt er Anna (Charlotte Le Bon) und ihren Geliebten, den amerikanischen Journalisten Christian (Christian Bale), kennen. Es ist das Jahr 1915: Unter dem sich ausbreitenden Unruhen gegen armenische Christen entwickelt sich eine fragile Dreiecksbeziehung. Die Wege der Drei trennen sich immer wieder, während das Militär des Osmanischen Reichs immer brutaler gegen die armenische Bevölkerung vorgeht und das Leben Michaels und seiner Familie in höchster Not ist.

Der hoffnungsvolle Anfang des Films, der typische osmanische/türkische Motive, das wunderbar vitale, weltoffene Konstantinopel (heutige Istanbul) zeigt, durchläuft ohne Ausnahme den Parcours dramatischer Handlungsmuster, ohne dabei sonderlich zu überraschen: Michael verguckt sich alsbald seinem staubigen Heimatdorf entkommen in die erstbeste Frau, die schon vergeben ist, aber natürlich ebenfalls Gefühle für den charmanten jungen Mann hegt. Deren Geliebter, der Journalist, wirkt dagegen fast stoisch, fokussiert auf seine Arbeit, ist Alkoholiker und stolzer Amerikaner. Dass bei einem Zusammentreffen im Hause eines hochrangigen osmanischen Militärs Delegierten des Deutschen Reichs von Christian verbal und argumentativ angegriffen werden, zeigt die Deutlichkeit, in der THE PROMISE die Filmfiguren und Charaktere auf zwei Seiten verteilt: in Gut und Böse.


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Auch wenn das Drehbuch von Terry George und Robin Swicord selten Wert auf Ambivalenz legt, so gelingt es gerade in der zweiten Hälfte den zuvor behäbig schauspielernden Hollywoodstars ihren Figuren Leben einzuhauchen: die wie auf Befehl gelieferten bedeutungsschwangeren Blicke Oscar Isaacs weichen deutlich nachvollziehbareren emotionalen Ausbrüche, Augenblicken von Angst, Zwiespalt und Trauer. Auch das Drehbuch ist noch für Überraschungen gut: Das Liebesdreieck lässt an sonst gewohnter Anspannung missen, offenbar lieben die beiden Männer Anna so sehr, dass sie mit der Situation lieber schweigsam leben wollen, anstatt sich gegenseitig ausspielen zu wollen – und der Film endet schließlich auf einer dramatischen, aber versöhnlichen Note, die dann endlich einmal den altbekannten Mustern entflieht.

Flucht ist denn auch das große Thema des Films, der eine viel zu selten beleuchtete Geschichte zeigt: vom armenischen Genozid. Hier findet der Film durchaus drastische Bilder, die das emotionale Saitenspiel der Liebesgeschichte trotz oder gerade in seiner Kürze Paroli bieten kann: Michael muss in einem Arbeitslager schuften, wo ausgemergelte Männerkörper vor Erschöpfung zusammensacken. Die Schwachen werden getötet. Unnötiger Ballast. Die Menschlichkeit kann den Gefangenen dennoch nicht ganz genommen werden, eine Szene zeigt einen ehemaligen Clown, wie er eine seiner Nummern wiederholt, nur um ihn danach, zerrüttet vom Erlebten, zum Märtyrer werden zu lassen. Die Versuche, in diesen und anderen Szenen den Zuschauer emotional an Figuren zu binden, um sie danach umso wirksamer sterben zu lassen, sind zumeist unnötig. Denn die Bilder, die Terry George mit seinem Kameramann Javier Aguirresarobe findet, würden ausreichen. Teils geht das Drehbuch aber eben noch weiter, um den Gegner ins Fratzenhafte zu dämonisieren.

Das Leid und die Darstellung der Gräuel sind stark aufgeladen in diesem Film, sind in ihrer grafisch und textlich expliziten Darstellung vermutlich einen Tick zu stark ausgeformt, aber eben wirkungsvoll. Aber THE PROMISE bedient ebenfalls das Verlangen nach Vorbildern und Heldenfiguren: Christian ist der durch und durch integre Reporter, der sich von Repressalien nicht beeindrucken lässt und für sein Ideal der freien Meinungsäußerung in den Tod gehen würde. In Zeiten, in denen ebensolche Journalisten jedoch in verschiedensten Ländern auf der Welt (und eben auch der Türkei) in Gewahrsam sind, scheint diese Überhöhung durchaus angemessen zu sein. Michael ist letztlich derjenige, der im Heilen von Wunden seine Bestimmung erfüllen kann, im Überleben Rache nehmen kann. Und selbst der zwischen die Fronten geratene Studienfreund von Michael beweist immer wieder seinen Mut.

THE PROMISE mag ein gefühlsduseliges Melodrama sein, in dem die Musik die gewünschten emotionalen Schalter beim Zuschauer überdeutlich umzulegen versucht, doch ist er dies in einem Rahmen, in dem die Themen und die Geschichten eine solche Form durchaus entschuldigen. Der Film sticht sich zwar mit seinem Epilog leider selbst in den Rücken, wenn er die armenische Geschichte noch in den Schatten amerikanischer Historie treten lässt und hier seine Produktionsherkunft nicht verschleiern will. Dennoch bietet THE PROMISE einen Einstieg in die Auseinandersetzung mit einem der schändlich vernachlässigten Völkerverbrechen des vergangenen Jahrhunderts, der trotz seiner Liebesgeschichte nicht im Schongang verweilt.