Es ist beinahe ein Grund, sich vor Scham einen dunklen Raum im Keller zu suchen. Da studiert man über zwei Jahre lang in Mainz Filmwissenschaften und hat sich nicht einmal auf den Weg nach Frankfurt begeben, um sich im Filmmuseum mal historisch mit seinem eigenen Wissenschaftsgebiet auseinanderzusetzen. Nun, beinahe. Denn vor Kurzem habe ich diesen Weg doch auf mich genommen. Ob sich der Blick in die Vergangenheit und Gegenwart des Films lohnt? Ein Erlebnisbericht.
Ich sitze im Foyer des Deutschen Filminstituts, das sich mitten auf der Museumsmeile direkt am Main befindet. Der regnerisch graue „Winter“tag lädt nicht gerade zu einem Spaziergang ein, also schlendere ich doch lieber durch den Empfangsraum des Filmmuseums. Das Gebäude besteht aus vier für Besucher zugänglichen Etagen. Im Erdgeschoss bietet das Filminstitut Literatur, Filme und „Merchandise“ an, für eine ruhige Minute wird Kaffee und Kuchen serviert. Im Untergeschoss laufen jeden Tag mehrere Vorstellungen historischer, aber auch zeitgenössischer Filme. COFFEE AND CIGARETTES wird an der Leinwand für den heutigen Abend angekündigt. Schade, dass ich für den Besuch keine Zeit habe – aber los in die Museumsräume. Schließlich will ich auch etwas lernen.
Über zwei Stockwerke erstreckt sich die Dauerausstellung des Filmmuseums. Geteilt in die Ursprünge und Anfänge der Kinematographie im ersten und eher technischer und inszenatorischer Entwicklungen im zweiten Stock. Der erste Blick in die Ausstellungshalle ist noch zwiegespalten. Groß wirkt der Raum nicht gerade. Aber dieser leichte Anflug von Unmut verfliegt schnell. Sofort lese ich mich in prägnante Erklärungstexte an den Vitrinen ein (für internationale Gäste zusätzlich auf Englisch übersetzt) und verliebe mich schnell in einem Anflug romantischer Pseudo-Nostalgie in die Exponate.
Da heißt es zu Beginn noch, dass es dem Menschen ureigen ist, dass er bildlich Geschichten und Erlebnisse festhält. Vom primitiven Schnitzen in Holz oder Höhlenmalerei bis hin zu ersten Keramik-Kunstwerken und schon deutlich später in arrangierten Gemälden und optischen Spielereien, die im 16. und 17. Jahrhundert auf Jahrmärkten große Attraktionen waren. Obwohl der überwältigende Großteil der Museumsstücke hinter Glas sicher verwahrt ist, bietet das Filmmuseum auch ungeahnte Nähen zu den frühen Anfängen der Filmkunst. Von Daumenkinos über mechanische Apparaturen zur schnellen Bilderabfolge bis hin zur Camera obscura – Geschichte zum Anfassen. Hinzu kommt, dass viele der optischen Spielereien und Täuschungen selbst durch die Vitrine noch nachempfunden werden können.
Highlight für Fans der Filmgeschichte ist sicherlich das kleine Kino auf der Etage, in der frühe Kurzfilme in atemberaubender Bildqualität vorgeführt werden. Ob das nun Sketche von den Lumière-Brüdern, die als Erfinder des Kinos gelten, bis hin zu Zaubertricks aus den Händen des Variété-Künstlers Georges Méliès. In wenigen Minuten bekommt der interessierte Besucher einen recht umfassenden Einblick in die Anfänge des Kinos. Für historisch Interessierte ist der Patentstreit zwischen dem deutschen Entwickler Skladanowsky und den Brüdern Lumière in Originalbriefen ebenfalls ein echtes Schmankerl.
Der zweite Stock wird deutlich zeitgenössischer. Schauspielkunst, Ton und Soundeffekte, Kameratechniken, Effekte und Montage werden präsentiert. Dort werden Originalkostüme ausgestellt, die Maske von Darth Vader starrt einen an. Wieder einmal darf der Besucher aktiv werden und an Touch-Screens Filmausschnitte mit Musikstück versehen und die Wirkung selbst vergleichen. An einem Schneidetisch darf man sich als Cutter versuchen und einige Filmszenen selbst zusammenschneiden. Doch einen großen Platz nimmt in diesem Stockwerk eine Video-Konstruktion ein. Über vier Leinwände werden Entwicklungen im filmhistorischen Ablauf vorgeführt. Nicht nur beeindruckend zu sehen, sondern auch imposant inszeniert.
Neben der Dauerausstellung zeigt das Filmmuseum auch zeitlich begrenzte Sonder-ausstellungen. Noch bis zum 1. Juni 2014 wirft das Museum einen Blick auf einen der wichtigsten Nachkriegsregisseure Deutschlands. Unter dem Motto „Fassbinder JETZT – Film und Videokunst“ wird dem Zuschauer ein breit gefächertes Bild auf Fassbinders kurze, aber ungemein produktive Schaffenszeit geboten. Über verschiedene Leinwände werden besondere visuelle Elemente aus seinen Filmen wie Kamerafahrten vorgeführt. Ein Blick in die Darstellung von Beziehungen wird in einem Zusammenschnitt gezeigt. Aber auch Kurzfilme von zeitgenössischen europäischen Regisseuren, die sich von Fassbinders Werk inspiriert fühlen, werden in Gänze vorgeführt. Im Flur vor der Halle sind Briefe, Produktionsnotizen, Drehbücher und Screenplays ausgestellt. Wer den Autodidakt einmal bei seiner Arbeit beobachten möchte, bekommt in der Sonderausstellung einen tollen Einblick.
Fast drei Stunden habe ich in den für mich schon fast als heilige Hallen zu bezeichnende Ausstellungen besucht. Und hätte ich noch mehr Zeit gehabt, wäre so schnell kein Leerlauf eingetreten. Insbesondere für die Sonderausstellung sollte man sich Zeit nehmen, deren Besuch lohnt sich in jedem Falle für alle Interessierten am Neuen Deutschen Film der 70er und 80er Jahre.
Mehr Informationen zum Filmmuseum und den Ausstellungen findet ihr hier
Beide Ausstellungen kosten kombiniert 11€ / bzw. 8€ ermäßigt.