La Bête (1975) / Possession (1981)

CineCouch Kritik Niels

Das Label Bildstörung steht seit einigen Jahren für Filme abseits des Mainstreams. Vergessene Perlen, eingestaubte Skandalfilme und das Spannungsfeld zwischen Kunst und Grenzüberschreitungen bilden die Grundlage für die Veröffentlichungen. Nun spendiert Bildstörung zweien seiner frühsten Veröffentlichungen eine Blu-Ray-Auswertung, nämlich LA BÊTE und POSSESSION, die die Quintessenz des Labels atmen: Wer sich an diese Filme wagt, wird mit einer Seherfahrung belohnt, die es kaum woanders zu finden gibt.


LA BÊTE // IMDb / Letterboxd / FR 1975, R: Walerian Borowczyk


Der ursprünglich 1975 erschienene LA BÊTE wird durch einen programmatischen Vorfilm eingeleitet: Die Natur kennt keine Perversion, so der Tenor. Der Mensch ist trotz all seiner zivilisatorischer Maßnahmen doch nur ein in der Natur verwurzeltes und triebgesteuertes Tier und so sind all seine Versuche, als pervers erachtete sexuelle Phantasien auszumerzen von vornherein zum Scheitern verurteilt.

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© Bildstörung

Die Geschichte erzählt vordergründig von der geplanten Vermählung der reichen Amerikanerin Lucy Broadhurst mit dem französischen Adelserben Mathurin, womit beide die Voraussetzungen für ein umfangreiches gemeinsames Erbe erfüllen würden. Während diverse Parteien sich in den Arrangements verstricken, erfährt Lucy von einem Fluch, der auf dem französischen Château zu liegen scheint. Gleichzeitig entwickelt sie Phantasien und Träume, in denen sie mit einem Bären schläft.

LA BÊTE beginnt mit der expliziten Darstellung zweier kopulierender Pferde. Auf dieser Basis reihen sich immer wieder pornographisch anmutende Szenen aneinander. Die Bediensteten haben Affären, der Priester küsst einen Ministranten, Lucy befriedigt sich selbst. Die sexuellen Triebe des Menschen können nicht unterdrückt werden und werden zum Vorfilm passend immer wieder in Bezug zur um das Château gedeihenden Natur gesetzt. Das erinnert gleichermaßen an LA BELLE ET LA BÊTE, DON’T LOOK NOW und schmuddelige 70er-Soft-Pornos und wird zudem mit barocker Musik unterlegt. Das Geschehen gipfelt in einer höchst fragwürdigen Rückblende, in der die titelgebende Bestie eine Frau vergewaltigt und in deren barocke Perücke ejakuliert, bis diese freiwillig mit der bärenartigen Bestie schläft. Das Ergebnis ist eine Art Exploitationfilm mit Kunstanspruch, der sich sich kaum als Meisterwerk bezeichnen lässt, jedoch so eigenständig ist wie sonst kaum etwas. Und mal ehrlich: Einen Film, der auf dem Cover mit dem Fazit der katholischen Kirche, „Wir raten ab!“, beworben wird, den muss man ein Stück weit gern haben.

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© Bildstörung


POSSESSION // IMDb / Letterboxd / FR/BRD/POL 1981, R: Andrzej Zulawski


Ähnlich eigenständig ist Andrzej Zulawskis POSSESSION, der im geteiltem Berlin der frühen 80er Jahre vordergründig das schmerzhafte Ende einer Ehe durchspielt, darüber jedoch durch surreale Elemente und vielschichtige Deutungsebenen weit hinausgeht. Die Hauptfiguren werden von Sam Neill und Isabelle Adjani verkörpert. Mark arbeitet beim Geheimdienst und ist selten zu Hause, Anna lässt sich als alleingelassene Ehefrau und Mutter des kleinen Bobs auf Affären ein. Mark verlässt sie daraufhin und beginnt seinerseits ein Verhältnis mit Helen, der Lehrerin Bobs, die Anna zum Verwechseln ähnlich sieht. Was auf dem Papier bis zu diesem Punkt noch nach einem vergleichsweise realistischen Beziehungsdrama klingt, wandelt sich in der filmischen Übersetzung zur surrealen Tour de Force, die aus reichhaltigen Ideen ein kaum zu überblickendes Ganzes erschafft.

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© Bildstörung

POSSESSION beschreibt im Kern die Sehnsüchte und Wünsche seiner Figuren, ihre Anischten und Makel. So sucht Mark in Helen nach einem fürsorglichen Mutterersatz für seinen Sohn, die ohne Murren seinen eigenen Lebenswandel akzeptiert, da Anna diese Rolle aufgegeben hat. Anna wiederum sehnt sich nach Liebe und Leidenschaft, die sie zunächst bei Heinrich findet, der metaphorisch Marks Männlichkeitsbild bedroht, in der Folge jedoch durch ein selbsterschaffenes Tentakel-Wesen ersetzt wird, mit dem sie schläft. Zudem finden sich im Film immer wieder zwei Pole, die die Trennung Marks und Annas doppeln: Da wären die Dualität zwischen Zufall und Schicksal, Berlin als geteilte Stadt und vermutlich diverse weitere kleine Details, die in eine ähnliche Kerbe schlagen, aber wohl nur in mehrfachen Sichtungen in ihrer Gesamtheit überblickt werden können.

POSSESSION lebt von kleinen Momenten voller Bedeutung. In einer Szene setzt der Film die Selbstzerfleischung seines Paares bildlich in Szene, als Anna sich mit einem Messer selbst verletzt. Später ist es Helen, die im wahrsten Sinne des Wortes aufräumt und die blutigen Spuren beseitigt. Gleichzeitig macht der Film es seinem Publikum aber auch verdammt schwer: Die Darsteller übertreten mit ihrem Spiel ein ums andere Mal die Grenze zum Overacting. Dies kann berechtigterweise als Kritikpunkt gelten, der dem Zuschauer den Zugang zum Geschehen erschwert, verstärkt jedoch ebenso die Einzigartigkeit, die der Film während der kompletten Laufzeit atmet. Einige theatral anmutende Monologe wollen sich kaum dem Gesamtbild einfügen und bleiben oft in ihrer Aussage diffus. POSSESSION ist im herkömmlichen Sinne kein unterhaltsamer Film, er stößt den Zuschauer vor den Kopf, lässt ihn am Ende ratlos zurück, im besten Falle motiviert er jedoch, die rätselhaften Bilder zu entschlüsseln. Wer weiterhören mag: Die Second Unit  hat den Film in einer ihrer Folgen besprochen. Im Endeffekt kann man POSSESSION wohl nur lieben oder hassen, niemand wird jedoch völlig gleichgültig zurückgelassen werden.

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© Bildstörung

In diesem Sinne lohnen sich beide Filme, die stellvertretend für das Portfolio von Bildstörung stehen können. Es ist kaum zu glauben, dass zwei Filme über Sodomie so gehaltvoll ausfallen können. Ob sie dabei immer geschmackvoll sind und zu überzeugen wissen, muss wohl jeder für sich entscheiden. Überzeugen lassen kann man sich durch die Blu-Rays, die in zwei Versionen erscheinen: Die schlichte Amaray-Fassung beinhaltet lediglich die Filme, während die Special Editions das umfangreiche Bonusmaterial der DVD-Fassungen als Bonus mitbringen und mit einem informativen Booklet abrunden. Teschnisch erreicht keine der Blu-Rays Referenzniveau, doch gerade POSSESSION bietet dennoch einen Mehrwert gegenüber der DVD. Für Freunde des Obskuren sei eine Empfehlung ausgesprochen!

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