Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an unseren Trailerpark, indem ich den fast wortlosen und mich neugierig machenden Trailer zu THE SECRET LIFE OF WALTER MITTY vorgestellt habe. Jetzt ist es tatsächlich passiert, ich habe ihn mir im Original-Ton im Kino angeguckt. Ich habe Geld für Ben Stiller ausgegeben… Ob das so eine gute Idee war? Lest selbst 😉
Für diejenigen, die sich so wie ich bisher noch nicht mit den künstlerischen Machenschaften Ben Stillers hinter der Kamera beschäftigt haben, sei gesagt, dass WALTER MITTY (dt.: „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“) bei weitem nicht seine erste Regieführung ist. Seit 1987 hat er etliche Kurz-, Langspielfilme und Serienepisoden verwirklicht. Zum Beispiel auch ZOOLANDER, indem er es sich nicht nehmen ließ, auch die Hauptrolle zu spielen. Außerdem sollte man wissen, dass Stiller eine Kurzgeschichte von James Thurber verfilmt hat, die auch schon 1947 mit Danny Kayne in der Hauptrolle verfilmt wurde.
Die Geschichte soll schnell erzählt sein, denn sie steht gar nicht wirklich im Vordergrund dieses Films: Dem Fotoarchivisten Walter Mitty (Ben Stiller) wird nach vierzehn Jahren Firmentreue die Kündigung angedroht, weil das letzte große Titelbild des LIFE-Magazins verloren gegangen ist, für das er verantwortlich war. All seine Bemühungen, das Bild zu finden, sind vergebens. Also entschließt er sich den Fotografen (Sean Penn) ausfindig zu machen und bricht nach Grönland und zu ungeahnten Abenteuern auf. Den finalen Anstoß dazu bekam er von seiner Kollegin Cheryl (Kristen Wiig), auf die er heimlich ein Auge geworfen hat.
Ein genialer Kniff dieser eher simplen Geschichte sind unter anderem die Tagträume, die Walter immer dann hat, wenn er eine komplizierte oder für ihn schwierige Situation vergeblich unter Kontrolle bekommen will. So verwandelt er sich auf einmal in einen Actionstar, Extremsportler oder Fast-Schon-Superhelden und rettet den Moment mit Witz, Charme und Bravour. Diese Mini-Szenen heben sich schon rein filmisch klar vom Rest ab, ohne das Gesamtbild des Films zu zerstören, und sind dennoch immer wunderbar in die Geschichte integriert. Sie sind die Momente, die dem Film eine bestimmte Würze geben und vor allen Dingen Walter sehr sympathisch machen. Manchmal sind die Tagträume von der hinreißenden Cheryl motiviert und sorgen für witzige und liebevolle Situationen. Aber anstatt ins Kitschige abzudriften, sind diese wenigen gut platzierten Szenen einfach nur schön.
Auf der visuellen Ebene gibt es aber noch mehr zu entdecken: Einerseits weiß die Kamera mit vielen schönen Einstellungen und verspielten Ideen zu überzeugen. Ok, absolut außergewöhnlich ist die Arbeit mit der Kamera kaum, aber ab und zu lacht das Filmliebhaberherz und wirkliche Schnitzer werden zudem vermieden. Langeweile kommt bei den wunderschönen Landschaftsaufnahmen von Grönland und Island auch nicht auf. Die Szenerien sind abwechslungsreich und bilden einen tollen Kontrast zu den Stadtaufnahmen am Anfang und Ende des Films. Gleichzeitig verdeutlichen sie den Werdegang von Walter und visualisieren seine „innere Reise“. Genau die ist (Gott sei Dank!) nicht so übertrieben kitschig, wie man sich das nach der Sichtung des Trailers vielleicht vorstellt. Dass Walter über seinen Schatten springen muss, wird meist gar nicht so in den Vordergrund gestellt, er macht es halt einfach.
Nicht nur Augen, sondern auch die Ohren werden während den gesamten zwei Stunden Spielzeit umschmeichelt. Der Soundtrack ist durchweg stimmig, gibt den ohnehin schon tollen Bildern das gewisse Etwas und versetzt den Zuschauer in genau die richtige Stimmung. Hervorzuheben ist, dass die Musik, die nicht in die Diegese des Films miteingearbeitet ist, öfters speziell heraussticht und nicht einfach leise vor sich hin dudelt. Sie macht sozusagen auf sich aufmerksam und macht so auch in den Traum-Szenen klar, dass es sich hier um ein Fantasy-Werk handelt und gar kein großer realistischer Anspruch im Allgemeinen besteht.
Auf den ersten Blick erwartet man bei WALTER MITTY die Geschichte eines typischen, schüchternen aber sympathischen Losers, der aus seinem Alltag ausbricht, die Welt rettet und so das Herz seiner Braut im Sturm erobert. Beruhigenderweise gehört der Film nicht zu jener Art, obwohl man ihn sehr gut damit vergleichen kann. Viel eher hat man das Gefühl, dass Ben Stiller sich dieser schrecklich langweiligen Klischee-Filme bewusst war: Alle guten Elemente hat er extrahiert, ein paar eigene Ideen eingebaut und mit dem Gesamtwerk den Zuschauern ein schönes Gefühlserlebnis bieten wollen. Und vermutlich auch gar nicht mehr.
Teilweise hatte ich während der Sichtung das Gefühl, dass ich es mit einer unegozentrischeren Variante von INTO THE WILD zu tun habe, mit etwas weniger Landschaft, Pathos und Realitätsbezug, aber mindestens genauso viel Herz, Charme und Witz. Alles in allem ist THE SECRET LIFE OF WALTER MITTY ein gelungenes, unaufdringliches Feel-Good-Movie, das einen super unterhält und nur Gutes für Stillers Zukunft hoffen lässt. Bitte mehr davon und weniger Kinder-Kram-Komödien-Scheiß, von dem es sowieso schon genug gibt!
THE SECRET LIFE OF WALTER MITTY in der IMDb
THE SECRET LIFE OF WALTER MITTY auf Letterboxd
TRAILER:
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