Der geneigte Filmfan horcht bei skandinavischen Filmen oftmals auf. Düster, atmosphärisch, tiefgründig und trotz fantastischer Elemente realistisch wirkend, begeisterte in den letzten Jahren insbesondere der schwedische Coming of Age-Horrorfilm LÅT DEN RÄTTE KOMMA IN, der ein neues Licht auf den Vampir-Topos warf. Nun steht die dänische Antwort NÅR DYRENE DRØMMER bzw. „When Animals Dream“ in den Startlöchern, die mit ähnlicher Rezeptur den Werwolf-Mythos aufleben lässt.
Marie ist ein Mädchen im Teenager-Alter und wohnt mit ihrem Eltern an der Küste Jütlands. Ihre Mutter ist stumm und an den Rollstuhl gefesselt, weshalb sich Vater und Tochter liebevoll um sie kümmern. Die zurückhaltende Marie nimmt zu Beginn des Films einen Job in der örtlichen Fischverarbeitung an und kommt so erstmals in Kontakt mit gleichaltrigen Jungen. Etwa zur gleichen Zeit bemerkt sie einen Hautausschlag an ihrer Brust, aus dem lange Haare zu sprießen beginnen. Ihr Vater und der Dorfarzt befürchten, Marie könnte mit der selben Krankheit wie ihre Mutter infiziert worden sein. Und auch wenn es nie ausgesprochen wird: Diese Krankheit bedeutet die Verwandlung zum Werwolf.
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NÅR DYRENE DRØMMER ist – typisch skandinavisch – ein sehr zurückgenommener Film. Die kühlen Landschaftsbilder Dänemarks bilden ein großartiges Fundament, das Regisseur Jonas Alexander Arnby anfangs mit einer ebenso interessanten Einführung anzureichern weiß. Maries Familie wirkt vordergründig liebevoll, gleichzeitig kommen allerdings schnell Geheimnisse zum Vorschein und die Kommunikation wirkt vergleichsweise spärlich. Zudem scheint Marie isoliert von der Dorfgemeinschaft zu sein, was bei einer solch kleinen Gruppe an Menschen Fragen nach den Gründen aufwirft. Die beunruhigende Stimmung wird mit dem Erwachen von Maries Krankheit verstärkt, allerdings beginnen hier auch erste Probleme des Films.
Ihre stetige Verwandlung und das drohende Unheil wirken durch die kühle Inszenierung sehr distanziert. Wer an Aronofskys BLACK SWAN denkt, erinnert sich sofort an einprägsame Momente, in denen Natalie Portman die Veränderungen ihres Körpers für sich und den Zuschauer schockierend erfahrbar macht. Arnby gibt seiner Hauptfigur kaum Szenen, in denen eine vergleichbare Stimmung aufkommt. Dies liegt generell auch daran, dass Marie eine Figur ist, zu der man nur schwer Kontakt aufbauen kann. Ihre Charakterzüge sind – wie auch die sämtlicher anderer Figuren – wenig ausgeprägt. An einer Stelle heißt es, die Krankheit würde sie aggressiv machen. Und genau dies geschieht auch mit der schüchternen Marie. Doch für einen Coming of Age-Film ist eine solch geringfügige Entwicklung mit einer ebenso plumpen Erklärung schlicht zu wenig. Die Rolle Mutter bietet ebenfalls unausgeschöpftes Potenzial. Sie zeigt auf, was Marie drohen könnte: Ein unselbstständiges Leben in Abhängigkeit, ihrer Sexualität und menschlichen Kontakten fast vollständig beraubt und gefangen in Abgeschiedenheit. Scheinbar hat das ihre Triebe unterbindende Medikament zu dieser Situation geführt, was Maries Ablehnung der Behandlung logisch begründen würde. Auf die Spitze getrieben werden diese Themen jedoch nie, stattdessen zerstören Ellipsen jede aufkeimende Fragestellung und endgültig geklärt werden die meisten Zusammenhänge nicht.
Spannender sind da die Versuche, den Werwolf-Mythos und die damit einhergehende körperliche Veränderung als Allegorie auf die Pubertät anzulegen. Marie wird sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst, entwickelt erstes sexuelles Verlangen und reagiert rebellisch auf die Versuche ihres überforderten Vaters und des Arztes, ihre Krankheit einzudämmen. Doch auch hier geht Arnby nicht über Ansätze hinaus, da er es nicht zum Äußersten kommen lässt. Zwar kann man loben, dass er nicht auf Effektheischerei setzt, doch näher kommt er so weder der Thematik noch seiner Protagonistin. Der kanadische Horrorfilm GINGER SNAPS hat bereits 2000 vorgemacht, wie das Unterfangen, Werwolf-Mythos und Pubertät zu vermischen, funktionieren kann; er ist zwar generischer als NÅR DYRENE DRØMMER, aber eben konsequenter in der Umsetzung.
Auch die jungen Männer, auf die Marie antrifft, bleiben stereotyp: Da ist Esben, der auf ihre Zurückweisung mit Mobbing in CARRIE-Manier reagiert, und Felix, der sich teils interessiert an ihr zeigt, sich andererseits aber für sie nicht von der restlichen Dorfbevölkerung separieren will. Außerdem der Außenseiter Daniel, mit dem Marie letztlich schläft. Zusammen sind die beiden quasi das Pendant zu Oskar und Eli aus dem eingangs erwähnten LÅT DEN RÄTTE KOMMA IN. Im Unterschied zum schwedischen Vampirfilm ist hier allerdings die Protagonistin selbst die Betroffene und Daniel der einsame menschliche Gehilfe. Dieser Umstand müsste eigentlich zu einer erhöhten Immersion führen, immerhin erlebt man das Geschehen aus der Perspektive der Betroffenen. Die Annahme bestätigt sich aufgrund der beschriebenen Distanz zur Hauptfigur allerdings nicht.
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Überzeugt Arnbys Film denn nun zumindest mit seinen Horrorelementen? Auch dies ist leider etwas zu relativieren. Auf der einen Seite funktioniert die Atmosphäre, der Score fügt sich gut ein und das Makeup überzeugt zweifellos. Doch wirkliche Spannung kommt kaum auf, zu wenig investiert man in die elliptische Handlung. Zu Body Horror-Aspekten gehört eben ein gehöriges Maß an Psychologie.
Nüchtern betrachtet, reiht sich stattdessen in altbekannter Abfolge Standardsituation an Standardsituation: Etablierung der Figuren, Entdeckung der Krankheit, Probleme mit der zwielichtigen Landbevölkerung und dann immer weiter die Schrauben anziehen. Es folgt ein Ausbruch der Gewalt, quasi der Punkt ohne Wiederkehr, und ab geht es ins Finale, das zu allem Überfluss arg löchrig daher kommt:
SPOILER
Marie flieht vor den Dorfbewohnern, wird entdeckt und bewusstlos geschlagen, scheinbar soll sie gelyncht werden. Doch anstatt sie zu töten, sperrt man sie auf einem Boot ein und fährt gemeinsam aufs Meer hinaus. Dort befreit Daniel Marie, sie tötet alle außer ihm und die beiden bleiben gemeinsam zurück. Warum hat man sie nicht gleich getötet? Weshalb fährt man überhaupt zur See? Warum lässt man sie nicht zumindest bewachen? All das sind Fragen, auf die es keine Antwort gibt und die die Handlung zu einem reichlich unbefriedigenden Ende führen.
SPOILER ENDE
Letzlich ist das Endergebnis sehr schade, wenn man das Potenzial von NÅR DYRENE DRØMMER betrachtet. Die Genre-Versatzstücke, die hier verknüpft werden, sind alleine betrachtet zu schwach und können auch zusammengenommen kein stimmiges Ganzes ergeben, da die Rädchen nicht ineinandergreifen. Das Script hält den Zuschauer auf Distanz, kann ihn aber derweil nicht mit interessanten Fragen beschäftigen, sodass dieser seine Aufmerksamkeit leider auf all die Schwächen von Jonas Alexander Arnbys Film fokussieren kann und muss. Dabei erinnert man sich an zahlreiche andere Werke, die ähnliches wie NÅR DYRENE DRØMMER versucht haben – mit mehr Erfolg.
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Trailer:
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