Acht lange Jahre hat es gedauert, dass Peter Thorwarth, der im ausklingenden Jahrtausend mit seinem Spielfilmdebüt BANG BOOM BANG und der ausgewiesenen Ruhrpott-Krawalltruppe um Ralf Richter für Furore sorgte, wieder für einen Kinofilm auf dem Regiestuhl Platz nimmt. Da stellt sich natürlich die Frage, in welches stilistische Segment er sich nun einreihen wird? Wird sein neuester Streifen auf bildästhetischer sowie dramaturgischer Ebene etwa ein Vertreter des immer größer werdenden German Mumblecore, der sich durch ausufernde Improvisation und hohen Realitätsgrad bei vergleichsweise sehr geringem Budget auszeichnet? Orientiert er sich gar an massentauglichen Komödien à la Schweiger/Schweighöfer oder zeigt Thorwarth wie bereits zuvor der deutschen Filmlandschaft elegant den Allerwertesten und macht sein ganz eigenes Ding?
Auf die letzte Frage lässt sich jedenfalls nur mit einem entschiedenen Jein antworten. Denn zeichnete sich seine Kultkomödie, die zudem den Startschuss für die ebenfalls kuriose Unna-Trilogie samt WAS NICHT PASST, WIRD PASSEND GEMACHT und GOLDENE ZEITEN lieferte, noch durch wahnwitzige Charaktere aus, die kaum ein Blatt vor die Schnauze nehmen, ließ der Trailer zu seinem neuesten Werk eine weitaus bodenständigere Geschichte vermuten:
Till Reiners führt ein völlig normales Leben als Vorzeigepapa und Bankangestellter. Sein Einkommen ist nicht das größte und zu Hause läuft auch nicht alles wirklich rund, doch das sind schließlich Probleme, mit denen sich jeder herumschlagen muss und die für Till schon längst zum Tagesablauf gehören – bis seine Bankfiliale von einem Kleinganoven samt „Mr. T“-Maske überfallen wird und er in der Hitze des Gefechts prompt als Geisel und Fluchtwagenfahrer missbraucht wird. Doch die vermeintliche Entführung entwickelt sich immer mehr zur bitternötigen Flucht aus Alltagstrott und Perspektivlosigkeit und so folgen allerlei skurrile Konfrontationen bis hin zum Abstecher ins bunte Treiben von Amsterdam.
Und wie bereits angekündigt: So chaotisch das auf den ersten Blick klingen mag, ist es im Endeffekt gar nicht. Denn Thorwarth und sein Team nehmen sich viel Zeit, um auch den ernsteren Tönen in Till Reiners‘ Leben Gehör zu verleihen. Die Beziehung zu seinem kleinen Sohn als Spielkamerad und rührender Familienvater wird ebenso in Szene gesetzt wie die zerrüttete Ehe mit seiner Frau. Das erscheint als Kausalkette für Tills späteres Verhalten zwar durchaus schlüssig, die Krux dieser Entscheidung liegt allerdings im Pacing. NICHT MEIN TAG benötigt extrem viel Zeit, um in die Gänge zu kommen, dreht de facto sogar erst mit Tills Rückbesinnung auf seine Rockervergangenheit so richtig auf und gipfelt in einem wahren Exzess, der sich bereits im Trailer ankündigt. Neben Moritz Bleibtreu als gestandener Schauspieler und Teilzeitganove Nappo ist es gerade der in den letzten beiden Jahren wie durch ein Wunder erschlankte Axel Stein, der mit unterschiedlichen Facetten und Talent zur Situationskomik für die erfrischende Note sorgt. Die beiden eher unfreiwilligen Buddies agieren dabei weitestgehend harmonisch, wobei mir Moritz Bleibtreu mit seiner Fäkalsprache fast schon zu gewollt versucht, Humor zu evozieren. So stimmig wie noch in BANG BOOM BANG, als Straßendialekt noch zum gepflegten Umgang gehörte, funktioniert das hier bedauerlicherweise nicht.
In der Tat scheint es so, dass Thorwarth mit Nappo einen Charakter erschaffen oder eher inszeniert hat – die Vorlage stammt vielmehr aus der Feder von Stromberg-Schöpfer Ralf Husmann -, der als direktes Bindeglied dient und als Überbleibsel des früheren Ruhrpott-Wahnsinns übrig zu sein scheint, nun aber in der normalen Welt völlig hilflos wirkt. Natürlich gibt es auch abseits dessen allerhand Querverweise wie dasselbe Nummernschild (DO-PE 69), das bereits Oliver Korittkes Karosserie in BANG BOOM BANG bekleidete, Ralf Richters mittlerweile zum Selbstzweck avancierte Gestik und Mimik oder etwa den fast schon selbstverständlichen Cameo von Til Schweiger, der sich mit einem ordentlichen Schuss Selbstironie glatt selbst spielt. Und auch wenn die Balance zwischen Heiterkeit und Tragödie stimmen mag, wünscht man sich doch an einigen Stellen den sympathischen Wahnsinn von einst zurück.
NICHT MEIN TAG ist bei weitem kein schlechter Film. Er tut niemandem weh, vollführt dabei aber auch kein Glanzstück und kann insbesondere nicht an die oben genannten Komödien anknüpfen und solange keiner mit ‚einem todsicheren Ding 2.0‘ rechnet, kann bei der Sichtung eigentlich nichts schiefgehen. Axel Stein in neuer Präsenz sollte man allerdings unbedingt im Auge behalten.