© Disney Enterprises, Inc.
IMDb / Letterboxd / dt. Kinostart: 14.04.2016 / USA 2016, R: Jon Favreau
Probiert’s mal mit Gemütlichkeit. Den Hollywood-Studios wird ja gerne vorgeworfen, sie würden nur noch altbekannte Geschichten immer und immer wieder neu erzählen. Remakes, Reboots, Franchising, Pre-, Se- und sonstige quels werden initiiert. Doch trotz der Kritik, strömen die Massen und das Geld in die Produktionen, die eben das bedienen, wovon der Zuschauer schon ein sehr genaues Bild hat. Disney kramt seit längerem wieder in seiner Kiste von ehemaligen Animationsfilmen, die sie zu neuem Leben erwecken wollen – THE JUNGLE BOOK ist der neueste Vertreter dieser Strategie.
Die Geschichte um das Menschenkind Mowgli (Neel Sethi), das von Panther Bagheera (Ben Kingsley) gefunden und zum Aufwachsen einem Rudel Wölfe im Regenwald übergeben wird, wurde vor allem durch die recht freie Adaption der Geschichtensammlung nach Rudyard Kipling als Zeichentrick-Musical weltweit bekannt. Knapp 50 Jahre später erzählt das Studio die Geschichte erneut: Wie gehabt ist Tiger Shere Khan (Idris Elba) hinter Mowgli her, der zum Menschenvolk am Rande des Waldes gebracht werden soll. Daraus ergibt sich ein großes Abenteuer, bei denen sich Mowgli mit Bär Baloo (Bill Murray), Affe King Louie (Christopher Walken), Schlange Kaa (Scarlett Johansson) und vielen weiteren Bewohnern des Dschungels anfreunden und/oder rumschlagen muss – nicht wissend, dass Shere Khan seinen Ziehvater Akela (Giancarlo Esposito) getötet hat und auf die Rückkehr des Menschenkinds wartet.
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Von Zeichentrick-Kinofilmen hat sich das Studio Disney seit einigen Jahren abgewandt. Doch an der Erzählkraft der alten Stoffe zweifelt in den Chefetagen wohl niemand. Und es ist erstaunlich, allein die Liste des Voice-Casts der Neu-Interpretation zu studieren. Hier geben sich Hollywood-Stars die Klinke in die Hand und im Original darf man sich auf ein wahres Wunderwerk an Synchronarbeit erfreuen. Das deutsche Pendant mit Sprechern wie Armin Rohde, Heike Makatsch und Justus von Dohnányi lässt ebenfalls eine hervorragende Arbeit vermuten.
Die Stars leihen den komplett am Computer erarbeiteten und gestalteten Figuren, den Tieren aus THE JUNGLE BOOK, ihre Stimmen. Der Schritt, die Geschichte um Mowgli nun „zum Leben zu erwecken“, gleichzeitig jedoch auf ein riesiges Repertoire an CGI-Figuren und Landschaften zu setzen, erschien mir nach den ersten Trailern und Bildern in einem krassen (Marketing-)Widerspruch zu sehen. Und es mag für den ein oder anderen eine gewisse Eingewöhnungszeit brauchen, um das Geschehen auf der Leinwand zu akzeptieren. Die Arbeit der CGI-Artists ist ohne Zweifel sehr hoch einzuschätzen, dennoch landen einige Modelle und Bewegungen der Tiere unweigerlich im Uncanny Valley (also einem Bereich der nachgeahmten Realität, die durch kleine Abweichungen der Wirklichkeit extrem unangenehm auffällt). Im Laufe des Films zieht die Geschichte, obwohl bestens bekannt, dennoch soweit in ihren Bann, dass der Verfremdungseffekt nachlässt und nur noch blass erscheint.
Die wahre Überraschung ist aber der einzige Darsteller, der mehrere Minuten im Film auch tatsächlich „lebendig“ über die Leinwand streift: Newcomer Neel Sethi, gerade einmal 13 Jahre alt, liefert eine erschreckend routiniert wirkende und begeisterungsfähige Leistung ab. Insbesondere wenn man den damals am Set von STAR WARS EPISODE 1 vollkommen überforderten Jake „Anakin“ Lloyd denkt, nimmt Regisseur Favreau seinen Hauptdarsteller ungleich besser an die Hand, als es George Lucas vor 17 Jahren gelang. Es ist zwar weniger so, als würde die gesamte CGI-Welt lebendig, vielmehr geht Sethi als Mowgli in der Welt auf und wird Teil von ihr. Damit verfehlt Disney zwar das eigentliche Ziel, zeigt aber auf eindrucksvolle Weise, wie gut sie in der Lage sind, Realschauspieler und CGI in solch hohem Maße in Einklang zu bringen.
Woran THE JUNGLE BOOK aber tatsächlich immer wieder scheitert, ist einen angemessenen und gleichbleibenden Ton für den Film zu finden: Favreau versucht einen Spagat, die Geschichten aus der Buchvorlage und die kulturell extrem verankerte Musical-Version von Disney selbst in Einklang zu bringen und dabei auch noch seine eigene Handschrift zu hinterlassen. Heraus kommt eine deutlich düstere Atmosphäre als noch im Disney-Klassiker. Shere Khan ist entstellt, viele Szenen spielen in Dämmerung oder Dunkelheit. Kaas lustige Auftritte im Zeichentrick-Film werden zu einer albtraumhaften Sequenz umgeschrieben. Allerdings brechen die vereinzelten (und unmotivierten) Musical-Einlagen mit diesem Ton extrem. Einige humorvolle Szenen (Beschaffung von Honig mit wachsendem Publikum etwa) sind da schon eher zu verzeihen, wenngleich diese komödiantischen Momente die Gravitas der Handlung unterwandern.
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THE JUNGLE BOOK von 2016 ist kein bloßes Remake. Jon Favreau und sein Team finden durchaus neue und bessere Ansätze an die Geschichte um das Menschenkind im Dschungel als das 67er-Original, von dem es viele Fans da draußen gibt. Wer hofft, die Kindheitserfahrung von einst erneut im Kino aufflammen zu lassen, wird mit einigen wenigen Szenen sicher belohnt, aber eben auch eine deutlich weniger kinderfreundliche Version sehen. Alle, die sich an Baloo, Bagheera, Kaa und Mowgli noch nicht satt gesehen haben, probieren es also am besten im gemütlichen Kinosaal. Ansonsten ist der Film allenfalls für extrem interessierte Fans von CGI sehenswert.
/Jan