Versprochen

CineCouch Essay Jan

Übersetzungen und Synchronisationen verderben mir den Filmgenuss – und ab und zu geht es wohl auch anderen so. „Dieser Johnny Depp klingt aber komisch“ – „Das ist doch überhaupt nicht Captain Jack Sparrow!“ – Vielleicht erinnert sich der ein oder andere von euch noch an den vierten Teil der erfolgreichen PIRATES OF THE CARIBBEAN-Reihe. Verwirrung herrschte – um eine Stimme.

Der eigentliche Synchronsprecher von Depp, David Nathan, sorgt in fast allen Filmen für die deutsche Stimme des Megastars. Doch wegen Streitereien vertrat ihn Marcus Off und verlieh Captain Jack Sparrow seine unverkennbare Stimme mit Spleen in der PIRATES-Trilogie von Gore Verbinski. Doch für Teil vier kam Nathan zurück vor das Mikrofon – wieder einmal stritten sich Studio und Synchronsprecher, diesmal Off. Eingefleischte PofC Fans waren verwirrt ob der „falschen“ Stimme.

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Wie kann man den ganzen Trubel am besten umgehen? Ganz einfach, man verzichtet auf deutsche Synchronfassungen und gibt sich einfach die Originaltonspur auf Englisch. Denn eines ist (heutzutage) gesichert: Wenn ein Schauspieler im Film spricht, ist es seine Stimme, die er für die jeweilige Rolle entwirft und damit ein eigentlich unersetzlicher Teil seiner Schauspielarbeit wird.

Wenngleich die deutsche Synchronisation über die Jahrzehnte sehr professionell geworden ist, so fallen mir doch sehr häufig einige Schwachpunkte auf, die durch die in Deutschland etablierte Technik meinen Filmgenuss beeinflussen. Bleiben wir bei dem Beispiel David Nathan – dessen Arbeit keineswegs hiermit geschmälert werden soll. Denn der spricht in den meisten Fällen nicht nur Johnny Depps Zeilen für den deutschen Raum ein, sondern vertont auch Christian Bale in vielen seiner Filme. Im deutschen Kino werden den fremdsprachigen Darstellern nicht nur die Stimmen „geklaut“, sie werden auch noch Kollegen ihrer Zunft in den Mund gelegt. Um das ganze dem Schauspielfach dramatisch anzugleichen: Den ausländischen Darstellern wird ein Teil ihrer Identität genommen!

Doch es wäre nun wahrlich ein Tropfen auf heißem Stein, würde diese Argumentation reichen, um die vielen Kinozuschauer zu überzeugen, dass Synchronfassungen ein verfälschtes Filmerlebnis böten. Deshalb gibt es im folgenden ein praktisches Beispiel für weniger gelungene Übersetzungsarbeit im Auftrag der deutschen Filmverleiher, die der Sychronisation vorausgeht: Es ist natürlich wieder einmal Tarantinos INGLOURIOUS BASTERDS.

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In seiner Nazi-Mär lässt Tarantino Französisch, Englisch, Deutsch und Italienisch aufeinanderprallen. In der oben verlinkten Szene geben sich amerikanische Soldaten als Italiener aus, um die deutschen Offiziere zu täuschen. So weit so Tarantino. Kommen wir nun zum großen Problem in der deutschen Fassung des Films: INGLOURIOUS BASTERDS kam synchronisiert in die deutschen Kinos, jedoch wurden nur die (im Vergleich wenigen) englischen Dialoge übersetzt. Die GIs um Brad Pitt sprechen also miteinander auf Deutsch, müssen sich aber in einem Aufeinandertreffen mit den Nazis jedoch als Italiener ausgeben, um nicht als Feinde aufzufallen. Dabei „können“ sie doch Deutsch sprechen! Durch die Übersetzungs- und Synchronarbeit verliert der gesamte Handlungsabschnitt seine Glaubwürdigkeit und seine Daseinsberechtigung.

Im Übrigen gibt es noch viele weitere Beispiele in dem Film, die das Geschehen absurder erscheinen lassen, als es in der durchaus komödiantisch veranlagten Geschichte von Quentin Tarantino angelegt ist.

Übrigens ändert die Synchronisation teilweise sogar die Handlung eines Films. So werden die deutschen Widersacher in DIE HARD zu internationalen, bzw. irischen Terroristen. In diesem Fall darf man sich über Sinn und Zweck der Nationalität im Original wundern, spielt doch mit Alan Rickman ein Brite den Gegenspieler. Übrigens heißt Rickmans Figur im Original Hans Gruber, wird in der deutschen Fassung aber zu Jack. Hans‘ Bruder, der im dritten Teil der Reihe auftaucht ist hingegen dem Original getreu ein deutscher Terrorist. Ach ja, und Hans heißt in den Dialogen nicht mehr Jack.

Weniger verwirrend, dafür essentiell, wird die Problematik der Synchronisation aber erst bei Komödien. Denn Comedy ist ein – abgesehen von wortlosen Slapstick-Momenten – weitgehend von Dialogen abhängiges Wirkungsgenre. Durch die Übersetzung müssen diese jedoch umgeändert werden. Wortwitze können in der Regel nicht eins-zu-eins transferiert werden. Oft genug finden die Übersetzer durchaus passende und ebenfalls witzige Varianten zum Originaltext, dennoch verlieren Komödien wohl mit am meisten durch die Übersetzung. Ganz absurd werden oftmals wiederum Witze übernommen, die einmal mehr mit der deutschen Sprache und Kultur spielen. So wird in einer Folge der Krankenhaus-Komödie SCRUBS ein ursprünglich deutscher Patient zu einem Dänen, wodurch folgender Sketch vollkommen an Sinn verliert:

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Natürlich bietet Synchronisation viele Vorteile. Viele Kinogänger oder auch Fernsehzuschauer möchten sich vom Programm berieseln lassen. Da fiele eine zusätzliche Barriere durch eine Fremdsprache zwischen Zuschauer und Film kontraproduktiv aus. Aus cineastischen Aspekten aber muss beachtet werden, dass der Originalton (und der ist nicht nur auf amerikanische Produktionen beschränkt) Teil des Gesamtwerks Film ist. Einen Popsong aus England oder Amerika hört sich schließlich auch niemand in einer deutschen Übersetzung an. Egal wie gut die Arbeit im Synchronstudio erledigt wird, so wird doch immer ein Stück des Kunstwerks verändert.

Und gute Beispiele für Synchronisationen gibt es durchaus. Viele Animationsfilme, etwa die Disney-Klassiker oder die SHREK- und ICE AGE-Reihen verfügen über hervorragend eingesprochene Texte, die vor allem den jüngeren Kinobesuchern den Filmgenuss überhaupt erst ermöglichen. Aber auch Spielfilme wie FIGHT CLUB unterhalten auf Deutsch nahezu genauso gut wie das Original. Im Übrigen gibt es auch Beispiele, die genau umgekehrt wirken: Cronenbergs A DANGEROUS METHOD lässt die Psychologen Freud und Jung auf Englisch kommunizieren, wobei beide realen Vorbilder deutsche Muttersprachler waren und der Film in deren Heimat spielt.

Ein Kompromiss, der beiden Lagern, Vertreter der synchronisierten und denen der originalen Fassung, wäre leicht umzusetzen. Kinos können dank der fortgeschrittenen Digitalisierung viel leichter OVs (Originalversionen) anbieten. Für das bessere Verständnis sorgen im Zweifelsfall Untertitel. Im Fernsehen wäre Zweikanalton durchaus möglich, der deutsch-französische Sender arte beweist das seit Jahren. Untertitel lassen sich ohnehin mittlerweile einblenden. Warum sollen Filme durch die Lokalisierung für den deutschen Markt einen Teil ihres Werks einbüßen, wenn die technischen Voraussetzungen geschaffen sind, es allen recht zu machen? So bleibt meist nur der Umweg über DVDs, Blu-rays und VoD.

Ach ja, David Nathan spricht übrigens wieder Johnny Depp in dessen neuem Film THE LONE RANGER – also alles wie gewohnt.

Weiterführende Links:

Wer spricht wen? Die Antwort findet ihr in der deutschen Synchronkartei
Deutsche Synchronisation ist super! – Sagt Fünf-Filmfreunde Nilz in seiner Video-Kolumne
Weg mit deutschen Synchros! – Das fordern zumindest die Leute von Against Dubbing

+++Update+++

Ein ausführlicher Podcast unserer Kollegen vom Cinecast über Synchronisation